Ökobilanzierung (Life Cycle Assessment, LCA)
Stand: Mai 2025
Eine systematische Analyse der Umweltwirkungen von Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen entlang des gesamten Lebenswegs kann mittels einer Ökobilanzierung erfolgen. Eine Ökobilanz (Life Cycle Assessment, LCA) befasst sich mit dabei sämtliche Umweltwirkungen, die während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung sowie den damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozessen (z.B. die Herstellung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) entstehen. Es werden dabei Umweltauswirkungen analysiert, die über die reinen Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) hinausgehen.
Um die Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes vollständig abzubilden, ist neben der Energiebedarfsberechnung auch eine Ökobilanz der eingesetzten Baustoffe notwendig. Im Rahmen der nationalen Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) wird die Verpflichtung zur Durchführung von Ökobilanzierungen in bestimmten Bauvorhaben als integraler Bestandteil in die deutschen Bauvorschriften aufgenommen.
Normung und Standardisierung
Die Grundsätze und Rahmenbedingungen für die Durchführung einer Ökobilanz (Life Cycle Assessment, LCA) sind in den internationalen Normen DIN EN ISO 14040 („Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen“) und DIN EN ISO 14044 („Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen“) definiert. Die Begriffe Ökobilanzierung, Life Cycle Assessment (LCA) und Lebenszyklusanalyse werden in der Praxis weitgehend synonym verwendet.
Gemäß DIN EN ISO 14040 sowie DIN EN ISO 14044 besteht eine Ökobilanz grundsätzlich aus vier Phasen, deren Erarbeitung iterativ erfolgt:
- Definition des Ziels und des Untersuchungsrahmens
- Erstellung der Sachbilanz
- Wirkungsabschätzung
- Auswertung
Für den Bausektor bildet die Grundlage die internationale Norm DIN EN 15978 („Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode“), die die methodischen Anforderungen und Systemgrenzen für die Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden definiert. Der Lebenszyklus eines Gebäudes wird dabei in vier Lebenszyklusphasen bzw. Module unterteilt: A) Herstellungs- und Errichtungsphase, B) Nutzungsphase, C) Rückbau- und Entsorgungsphase (End-of-Life), und D) Potenziale jenseits des Lebenszyklus (z.B. Wiederverwendung, Recycling).
Zur Erstellung belastbarer Ökobilanzen werden in der Regel Umweltproduktdeklarationen (EPDs) gemäß DIN EN 15804 („Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklarationen – Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte“) herangezogen. Durch EPDs werden umweltbezogene Ökobilanzdaten sowie technisch-funktionale Eigenschaften von Produkten auf Basis von fest definierten Parametern zur Verfügung gestellt. Diese Produktdaten können für die Erstellung von Ökobilanzen von Gebäuden und Bauteilen herangezogen werden.
Dabei ist es gemäß DIN EN 15804 nicht zulässig, die potenziellen Gutschriften, welche sich aus der Wiederverwendung, Rückgewinnung oder dem Recycling von Produkten ergeben, mit den Belastungen aus den Modulen A-C zu verrechnen. Diese Potenziale sind separat im Lebenswegmodul D abzubilden.
Eine zentrale Datenquelle für die Erstellung von LCAs ist die ÖKOBAUDAT, eine vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen bereitgestellte Datenbank mit standardisierten Ökobilanzdaten. Für die Auswertung stehen digitale Werkzeuge zur Verfügung. Eine Liste von LCA-Tools ist unter dem folgenden Link erhältlich.
Darüber hinaus legen Zertifizierungssysteme wie DGNB, BNB oder QNG weiterführende methodische Vorgaben fest – etwa hinsichtlich Flächenbezug, Detaillierungsgrad der Mengenbilanz, einbezogener Lebenszyklusmodule, Systemgrenzen, Datenquellen und Umweltindikatoren. Diese Vorgaben gehen zum Teil deutlich über die Anforderungen der genannten DIN-Normen hinaus.
Da sich die methodischen Ansätze zwischen den Systemen unterscheiden, können auch die Ergebnisse einer LCA erheblich variieren. Ein belastbarer Vergleich von Ergebnissen ist daher nur innerhalb desselben methodischen Rahmens möglich.
Datengrundlagen und Tools
Als Datengrundlage für die Erstellung von Ökobilanzen im Gebäudebereich ist vor allem die frei zugängliche Online-Datenbank ÖKOBAUDAT des BBSR zu nennen, mit welcher eine konsistente und „EN 15804“-konforme Datenbasis zur Verfügung gestellt wird. Diese Datenbank wird fortlaufend durch neue EPD-Datensätze ergänzt und generische Daten werden regelmäßig aktualisiert. Die ÖKOBAUDAT ist die verbindliche Datenbasis für die Ökobilanzerstellung im Rahmen des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) und kann aufgrund der Möglichkeiten zum Datentransfer zu weiterführenden Tools auch unabhängig hiervon zum Einsatz kommen. Als weitere bekannte Datenbanken und Informationsportale sind wecobis, GEMIS und EPD-Datenbanken wie beispielsweise vom Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU) zu nennen.
Es stehen verschiedene Tools und Modellierungswerkzeuge für die Erstellung von Ökobilanzen zur Verfügung. Digitale Tools wie das frei zugängliche Online-Ökobilanztool eLCA (Bauteileditor) unterstützen dabei, die Öko- und CO₂-Bilanzierung zu optimieren. eLCA wurde vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) entwickelt und ermöglicht eine einfache und transparente Erstellung von Ökobilanzen. Alternativ zu der Eingabe der Gebäudedaten in ein Bilanzierungstool kann die LCA anhand eines BIM-Modells automatisiert erstellt werden. In der Praxis liegen die BIM-Modelle oft nicht in ausreichender Qualität vor.
Einsatzbereiche
Nicht nur im Neubaubereich, sondern auch im Rahmen von Sanierungsprojekten ist die ökobilanzielle Bewertung sinnvoll und kann für den Vergleich unterschiedlicher Sanierungsvarianten herangezogen werden. So können beispielsweise eine massive Außenwandkonstruktion mit Wärmedämmverbundsystem (WDVS) einer Holzständerkonstruktion mit Gefachdämmung ohne großen Zeitaufwand einander gegenübergestellt werden. Auf der untersten Ebene wäre es auch denkbar, keine vollständige Ökobilanz zu erstellen, sondern mehrere Baustoffalternativen wie beispielsweise EPS, Holzfaser und Mineralwolle ökobilanziell miteinander zu vergleichen.
Als Lebensdauer für die Planung neuer Gebäude wird üblicherweise ein Zeitraum von 50 Jahren angesetzt; projektbezogen kann es aber auch sinnvoll sein, diesen Zeithorizont entsprechend anzupassen. Die Lebensdauer eines Gebäudes ist abzugrenzen von den Nutzungsdauern der verbauten Bauprodukte und Materialien, für welche im Gebäudelebenszyklus teilweise mehrere Austauschzyklen zu berücksichtigen sind. Das BBSR stellt hierfür im Rahmen der Anwendung des BNB-Systems eine entsprechende Tabelle mit Nutzungsdauern von Bauteilen zur Verfügung, welche auch unabhängig von BNB-Zertifizierungen für LCA- und LCC-Anwendungen herangezogen werden kann. Weiterführende Informationen zur Erstellung und Auswertung von Gebäudeökobilanzen finden sich in entsprechenden Anleitungen der genannten Datenbanken, Modellierungswerkzeuge und Zertifizierungssysteme.
Zusätzlich zu den ökologischen Umweltauswirkungen empfiehlt es sich stets auch, die qualitativen Aspekte von Gebäuden, wie thermischen Komfort, Schallschutz, Nutzungsdauern, Raumluftqualität sowie ökonomische Aspekte bzgl. der Kosten verschiedener Bauweisen möglichst früh in die Planungsprozesse zu integrieren. Die CO2-Vermeidungskosten inklusive Bau- und Ökobilanzmehrkosten betragen rund 180 EUR/t CO2 (Quelle: BBSR). Ein weiterer wichtiger Aspekt, der bei der Baustoffwahl berücksichtigt werden sollte, ist der Rohstoffeinsatz. Aufgrund der immer knapper werdenden Ressourcen sind nachwachsende Materialien denen auf fossiler Basis vorzuziehen, wo es der Einsatzort zulässt.