Zero Waste im Bausektor

Der europäische Grüne Deal (Green Deal) ist der integrierte politische Rahmen der Europäischen Kommission für eine effiziente Nutzung von Ressourcen. Er zielt auf die Förderung der Kreislaufwirtschaft, die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und die Verringerung der Umweltverschmutzung.

Der Bausektor spielt im Rahmen des Green Deal der EU eine wichtige Rolle. Die Baubranche forderte bereits im Jahr 2020 eine Sanierungswelle und eine Überarbeitung der Bauprodukteverordnung, die eine auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Gestaltung von neuen und sanierten Gebäuden fördert. Darüber hinaus beziehen sich mehrere politische Maßnahmen, die unter das Dach des Green Deal fallen, auf den Bausektor und die mit ihm verbundenen Sektoren wie Bergbau und Abfallbewirtschaftung.

Im EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft hat sich die Europäische Kommission verpflichtet, im Jahr 2021 eine umfassende Strategie für eine nachhaltige gebaute Umwelt auf den Weg zu bringen. Neben der Überarbeitung der Bauprodukteverordnung sieht diese Strategie vor, die zirkuläre Nutzung von Baustoffen zu stärken durch

• die Verbesserung der Langlebigkeit und Anpassungsfähigkeit von Gebäuden,
• die Integration von Ökobilanzen in das öffentliche Beschaffungswesen,
• die Überarbeitung der Ziele für die Rückgewinnung von Materialien mit Schwerpunkt auf Dämmstoffen und
• die sichere und zirkuläre Nutzung von Bodenaushub zur Reduzierung der Bodenversiegelung.

Weitere Informationen können auf der Themenseite zu zirkulärem Bauen abgerufen werden:

Zirkuläres Bauen: EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft

Darüber hinaus betont der EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft die Verbindung mit der EU-Strategie für die Bioökonomie, die die kreislauforientierte Nutzung biobasierter Ressourcen fördert. Diese politischen Initiativen werden auch dazu beitragen, Kohlenstoffneutralität der EU bis 2050 zu erreichen, eines der Ziele des EU-Klimagesetzes. Auch in der EU-Industriestrategie wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, sich mit der Nachhaltigkeit von Bauprodukten zu befassen und die Energieeffizienz des EU-Gebäudebestands zu verbessern, um Kohlenstoffneutralität zu erreichen.

Gemäß der Europäischen Abfallrichtlinie werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, selektive Abbruchtechniken zu unterstützen, um einen ordnungsgemäßen Umgang mit gefährlichen Stoffen zu gewährleisten. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen Wiederverwendung und hochwertiges Recycling erleichtern sowie die Einrichtung von Sortiersystemen für bestimmte Abfallströme sicherstellen, d. h. die Trennung in Holz, Mineralstoffe, Metalle, Glas, Kunststoff und Gips. Darüber hinaus soll die Europäische Kommission Ziele für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und des Recyclings von Bau- und Abbruchabfällen bis 2024 festlegen.

Die Europäische Kommission hat auch unverbindliche Leitlinien für die Bewirtschaftung von Bau- und Abbruchabfällen sowie für die Audits vor dem Abbruch und der Sanierung von Gebäuden vorgelegt. Das EU-Protokoll und die Leitlinien für Bau- und Abbruchabfälle richten sich an verschiedene Akteure des Bausektors, z. B. Fachleute aus der Industrie, Behörden, Zertifizierungsstellen und Kunden, die Recyclingmaterialien verwenden. Sie zielen darauf ab, das Vertrauen in den Prozess der Bewirtschaftung von Bau- und Abbruchabfällen und in die Qualität der recycelten Bau- und Abbruchmaterialien zu stärken.

Die Leitlinien für die Abfallprüfung vor Abbruch- und Sanierungsmaßnahmen von Gebäuden zielen darauf ab, eine ordnungsgemäße Planung und Durchführung von Abbruch- und Sanierungsmaßnahmen zu fördern, bei denen die Sicherheit der Arbeiter gewährleistet ist und die Einrichtung von Sortiersystemen für bestimmte Abfallströme, d. h. Holz, mineralische Fraktionen, Metalle, Glas, Kunststoff und Gipskorrekt verwaltet werden. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission einen freiwilligen Berichtsrahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Gebäuden mit der Bezeichnung LEVEL(s) eingeführt. Dieser ist ein Instrument zur Unterstützung der Planung und des Bauens von nachhaltigen Gebäuden und zur Verbesserung der Energie- und Materialeffizienz.

In Indien beispielsweise fallen jährlich über 277 Millionen Tonnen Abfälle an, wovon 54,15 Prozent bzw. 150 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle sind. Die derzeitige Recyclingkapazität beträgt nur 2,3 Millionen Tonnen pro Jahr, was etwa 1,5 Prozent entspricht (Quelle: IGBC, Net Zero Waste Rating System for Buildings & Built Environment). Die Zunahme von Mülldeponien wird eine größer werdende Herausforderung: Boden, Luft und Wasser werden verschmutzt, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Anwohner beeinträchtigt und Methan und anderen Treibhausgase emittiert, wodurch die globale Erwärmung und der Klimawandel weiter voranschreiten.

Aus diesem Grund wurde vom Indian Green Building Council (IGBC) die Net-Zero-Initiative gestartet. Ihr Ziel ist, das Abfallaufkommen während des Baus, des Betriebs und der Instandhaltung von Gebäuden und der bebauten Umwelt durch das "Net Zero Waste Rating System" zu reduzieren. Das Instrument soll helfen die 3R-Prinzipien – Reduce, Reuse, Recycle – anzuwenden, um das Abfallaufkommen zu reduzieren.

Um die Net-Zero-Waste-Bewertung des IGBC zu erhalten, muss ein Bauprojekt alle obligatorischen Anforderungen erfüllen und nachweisen, dass die Nettoverlagerung von Abfällen auf die Deponie gleich null ist. Das Einreichung der Projektunterlagen läuft in zwei Phasen ab:

• Bei der vorläufigen Einreichung werden alle Unterlagen gemäß vorgeschriebener Anforderungen zur Verfügung gestellt. Danach prüfen externe Gutachter den Antrag, vergeben die „erwarteten Credits“ und kommentieren innerhalb von 30 Tagen.
• In der endgültigen Einreichung werden die Fragen der Vorprüfung beantwortet, alles nochmals überprüft und anschließend das entsprechende Gütesiegel vergeben.

Das Anforderungsniveau und die Credits werden erst nach Vorlage der endgültigen Unterlagen erreicht, die auch die Umsetzung der Anforderungen belegen. Sollten sich nach der Vorprüfung Änderungen an den "erwarteten Credits" ergeben, müssen diese dokumentiert und bei der Endprüfung erneut vorgelegt werden.

Ähnlich wie bei anderen Zertifizierungsprogrammen soll das Projekt nach der Anzahl der erreichten Punkte anerkannt werden (Quelle: IGBC Net Zero Waste Certification Levels):

• Zertifizierungsstufe: Near Net Zero Waste
  • Abfallvermeidung: 75 – 84 Prozent
  • Punkte: 30 – 34
  • Anerkennung: hervorragende Leistung

• Zertifizierungsstufe: Net Zero Waste
  • Abfallvermeidung: 85 – 94 Prozent
  • Punkte: 35 – 39
  • Anerkennung: Nationale Exzellenz

• Zertifizierungsstufe: Net Zero Waste Platinum
  • Abfallvermeidung: 95 Prozent und darüber
  • Punkte: 40 – 50
  • Anerkennung: Global Leadership

Die Green Business Certification Inc. (GBCI) wurde im Januar 2008 mit Unterstützung des U.S. Green Building Council (USGBC) gegründet, um eine unabhängige Aufsicht über die Zertifizierung durch Fachleute und von Projekten im Rahmen des LEED-Bewertungssystems (Leadership in Energy and Environmental Design) für nachhaltige Gebäude zu gewährleisten. TRUE (Total Resource Use and Efficiency) von GBCI ist ein Zertifizierungsprogramm für abfallfreies Bauen, das von Unternehmen oder Organisationen genutzt wird, um Zero-Waste-Ziele zu definieren, umzusetzen und zu erreichen.

Der ganzheitliche Systemansatz fördert die Neugestaltung der Lebenszyklen von Ressourcen, damit alle Produkte wiederverwendet werden können. Gleichermaßen sollen Prozesse unterstützt werden, bei denen der gesamte Lebenszyklus von Produkten, die verwendet werden, berücksichtigt wird. Das übergreifende Ziel dabei ist, alle Abfälle von der Deponie, von der Verbrennung und von der Umwelt fernzuhalten.

Beim TRUE-Zero-Waste-Programm wird durch Gutachten bewertet, wie gut nicht gefährliche Abfälle minimiert und ihre Effizienz bei der Ressourcennutzung maximiert werden. Der Gutachter ist ein unabhängiger Dritter, der seine Dienstleistungen unter direkter Aufsicht von GBCI erbringt und die Einhaltung der Anforderungen des Bewertungssystems überprüfen und bewerten soll. Die Zertifizierung wird vergeben, wenn sieben Mindestanforderungen des Programms erfüllt und mindestens 31 Punkte auf der so genannten TRUE-Scorecard erreicht werden.

Die folgenden sieben Richtlinien und Praktiken sind erforderlich, damit ein Projekt die TRUE-Zertifizierung erhalten bzw. aufrechterhalten kann (eine Rezertifizierung ist alle zwei Jahre erforderlich):

1. Das Unternehmen oder Projekt, das die Zertifizierung beantragt, hat eine Null-Abfall-Politik eingeführt.
2. Das Projekt hat in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich 90 Prozent oder mehr nicht gefährlicher Abfallproduktion vermieden, die ansonsten an Verbrennungsanlagen, Deponien oder an die Umwelt abgeführt worden wären. Die ausgelagerten Materialien werden reduziert, wiederverwendet, recycelt, kompostiert und/oder für eine produktive Nutzung in der Natur oder der Wirtschaft wiedergewonnen.
3. Das Projekt erfüllt alle US-amerikanischen, bundesstaatlichen und lokalen Gesetze und Vorschriften für feste Abfälle und Recycling.
4. Das Projekt verfügt über Daten, die ein Basisjahr der Abfallvermeidung dokumentieren, sowie über entsprechende Angaben seit dem Basisjahr, die Veränderungen in Größe, Art und Charakter des Unternehmens berücksichtigen.
5. Das Projekt überschreitet nicht den Kontaminationsgrad von zehn Prozent für alle Materialien, die den Standort verlassen.
6. Das Projekt legt GBCI jährlich Daten vor, die die Abfallvermeidung von zwölf Monaten dokumentieren, um die Zertifizierung auf dem neuesten Stand zu halten.
7. Das Unternehmen des Projekts legt ausgehend von der aktuellen Baseline ein Szenario vor, wie sich das Gebäude durch die Zero-Waste-Initiative entwickelt.

Analog zum IGBC-System soll das Projekt nach der Anzahl der erreichten Punkte wie folgt anerkannt werden (Quelle: TRUE Guide to certification):

• Zertifizierungsstufe: Zertifiziert
  • Punkte: 31 – 37
• Zertifizierungsstufe: Silber
  • Punkte: 38 – 45
• Zertifizierungsstufe: Gold
  • Punkte: 46 – 63
• Zertifizierungsstufe: Platinum
  • Punkte: 64 – 81

Beispiel für ein TRUE Certified Building: 150 California Street