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„Wir kleinen Handwerksbetriebe müssen uns zusammentun“

Stand: März 2024
Foto, Ralph Angerstein

Das Bauhandwerk ist in der Krise. Schon heute stellt der Fachkräftemangel Betriebe vor enorme Herausforderungen. Dabei muss die Wärmewende jetzt in großem Stil vorangetrieben werden. Damit das gelingt, sollte unter Nachhaltigkeit auch eine zukunftsfähige Ausbildung und Betriebsführung verstanden werden, so Ralph Angerstein, Inhaber von Angerstein Elektro | Sanitär | Heizungen. Im Interview skizziert er Probleme, Lösungswege – und Ideen für einen frischen Wind in der Branche.

Herr Angerstein, warum sollten Bauhandwerksbetriebe auf Nachhaltigkeit setzen?

Ganz einfach: Weil sie es sich gar nicht anders leisten können. Über die fatale Situation im Bauhandwerk wird seit Jahren diskutiert. Gerade kleine Betriebe sind überlastet und müssen immer neue bürokratische Anforderungen umsetzen. Familienbetriebe schließen, weil sie keinen Nachfolger mehr finden. Zugleich fragen Kundinnen und Kunden verstärkt nachhaltigere Lösungen nach. Ohne Nachwuchs werden wir diese Herausforderungen nicht bewältigen können. Ältere Handwerkerinnen und Handwerker, die ihr gesamtes Berufsleben Gasheizungen installiert haben, haben oft wenig Interesse daran, kurz vor der Rente noch auf eine neue Technologie umzusteigen. Daher brauchen wir frischen Wind in der Branche! Wenn wir neue Fachkräfte gewinnen wollen, dürfen wir unter Nachhaltigkeit aber nicht nur ökologische Aspekte verstehen, sondern müssen auch in gute Ausbildung und nachhaltige Betriebsführung investieren.

Was braucht es für eine bessere Ausbildung?

Hier hilft ein Blick in andere Länder: Gerade in Skandinavien ist die Ausbildung viel praxisorientierter. Dort lernen die Azubis von Anfang an, wie man Häuser baut, Heizungen installiert oder Fliesen verlegt. Bei uns scheint es manchmal wichtiger, wie man eine Powerpoint-Präsentation hält. Darüber hinaus benötigen viele Teile des Lehrplans ein Update, um bei technischen Neuerungen auf den aktuellen Stand zu kommen. Für die vielen nachhaltigen Technologien, die in den letzten Jahren dazu gekommen sind, bräuchte es ganz neue Module – Stichwort Wärmepumpe. Und an der Stelle sind auch die Hersteller gefragt, sich stärker in die Ausbildung einzubringen. Schließlich haben sie ein ureigenes Interesse daran, dass junge Handwerkerinnen und Handwerker wissen, wie man ihre Technologie installiert. 

Wie setzen Sie Nachhaltigkeit in Ihrem eigenen Betrieb um?

Wir sind ein kleiner Handwerksbetrieb mit acht Mitarbeitenden. Wir legen großen Wert darauf, dass alle im Betrieb mitgestalten können und gerne bei uns arbeiten. Wertschätzende Kommunikation, aber auch Faktoren wie betriebliches Gesundheitsmanagement oder Arbeitsschutz spielen da eine große eine Rolle. Außerdem sind wir als Betrieb nur regional tätig und achten sehr darauf, mit welchen Lieferfirmen wir zusammenarbeiten. Im Jahr 2023 sind wir sogar unter die Finalisten für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gekommen, weil wir als Vorreiter in unserer Region im Harz schon sehr lange Technologien wie Wärmepumpen oder Solarthermie verbauen. 

Was raten Sie Kundinnen und Kunden, die Vorbehalte gegen die Wärmepumpe haben?

Besonders oft hören wir die Sorge, dass die Wärmepumpe viel teurer ist als fossile Heizungen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die Energiekosten für Gas- und Ölheizungen werden zukünftig durch die Decke gehen – allein bis 2030 gehen Schätzungen von einer Verdopplung aus. Es lohnt sich schlichtweg nicht mehr, auf fossile Brennstoffe zu setzen. Die Wärmepumpe dagegen hat anfangs zwar höhere Kosten beim Einbau, ist aber im Betrieb langfristig günstiger. Außerdem stehen umfangreiche Förderungen bereit. Die Angst vor dem finanziellen Ruin dank Wärmepumpe kann man also mit gutem Gewissen nehmen.

Warum ist Nachhaltigkeit noch nicht in mehr Betrieben angekommen?

Wir selbst schaffen das nur, weil wir mit sehr vielen Partnern kooperieren. Gerade für kleine Betriebe ist es eine Herausforderung, allen Anforderungen gerecht zu werden. Man muss immer auf dem neuesten Stand bleiben, wenn es um neue Technologien, Förderungen oder gesetzliche Regelungen geht. Zuletzt gab es etwa große Änderungen im Bereich Arbeitsschutz. In aller Regel haben Geschäftsführende dann versucht, sich selbst in die komplexe Regelung einzuarbeiten. Das kostet enorm viel Zeit. Viel effizienter ist es, wenn ein Betrieb sich mit den Neuerungen befasst und das Wissen an andere im Umfeld weitergibt. Wir Mittelständler müssen uns zusammenschließen – ohne Kooperation geht es nicht! 

Mit welchen Akteuren arbeiten Sie zusammen?

Wir kooperieren eng mit vielen Betrieben aus der Region, darunter Energieberatende, Elektrikerinnen oder Maler. Dadurch haben wir einen regelmäßigen Austausch und können unseren Kundinnen und Kunden letztlich noch bessere Lösungen bieten. Gerade Energieberatende halte ich für eine extrem wichtige Instanz. Sie bieten einen Blick von außen und unterstützen dabei, individuelle Lösungen für Kundinnen und Kunden zu finden. Denn es ist klar: Jedes Haus ist anders. Ob für eine Wärmepumpe nicht zuerst das Dachgeschoss gedämmt werden sollte, hängt von vielen Faktoren ab. Das ist sicher der energetische Zustand des Hauses, aber auch die persönliche Lebenssituation der Eigentümerinnen und Eigentümer. Deshalb ist es so wichtig, den Bedarf individuell zu ermitteln.

Wie können Handwerksbetriebe sich besser vernetzen?

Es gibt bereits viele großartige Netzwerke, gerade in der Baubranche. Ich selbst bin Mitglied im Projektbeirat Nachhaltiges Handwerk. Dort bieten wir Fortbildungen in nachhaltiger Betriebsführung und Ausbildung an oder unterstützen Betriebe dabei, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Wir engagieren uns dafür, dass das nötige Wissen weitergegeben wird und nicht alle von vorne anfangen müssen. Dabei wollen wir auch vermitteln: Schon mit kleinen Dingen kann man sehr viel erreichen!

Was kann die Politik tun, um das Bauhandwerk besser zu unterstützen?

Gerade befinden wir uns in einer Abwärtsspirale, die ich für sehr schwierig halte: In der Politik sind kaum Handwerkerinnen und Handwerker vertreten, weil sie so stark ausgelastet sind. Dadurch fehlt oft eine gute begleitende Kommunikation in die Branche, wenn neue Gesetze verabschiedet werden. Gleichzeitig erleben wir, dass das Handwerk immer weniger Wertschätzung erfährt und die Ausbildungszahlen weiter zurückgehen. Hier sind wir alle als Gesellschaft, in den Handwerksverbänden, -betrieben und den Schulen gefragt, aber auch die Politik muss deutlicher klarmachen: Es muss nicht jeder studieren. Für die Klimawende sind kluge Köpfe überall gefragt. Und wenn wir am Ende kein Fachpersonal haben, das neue Wärmepumpen einbauen und warten kann, verlieren auch neue Gesetze an Effektivität!

Über Ralph Angerstein

Ralph Angerstein ist Inhaber des Betriebs Angerstein Elektro | Sanitär | Heizungen in Blankenburg (Harz) sowie Geschäftsführer des Instituts für zukunftsorientierte Arbeitsgestaltung. Als Mitglied des Projektbeirats unterstützt er zudem das Netzwerk HandwerkN.

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