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Stroh – nachwachsender Baustoff mit Potenzial

Stand: März 2023
Foto, Detailaufnahme von Stroh.

Stroh ist ein Sammelbegriff für trockene, ausgedroschene Getreidereste. Dazu zählen die Halme und Blätter von Roggen, Gerste, Hafer, Weizen, Hirse, Flachs, Hanf oder Reis etc. Als Einstreu, Raufutter und Humusbildner auf Ackern ist Stroh geläufig, es eignet sich aber auch hervorragend als Bau- und Dämmstoff.

Gründe für die Nachhaltigkeit von Stroh

Stroh ist der Abfallstoff des Getreides und besonders nachhaltig: Es ist recyclingfähig, kann zu Dünger und wieder zu neuem Stroh werden. In gepresster Form als Ballen, als Einblasdämmung oder aber auch als Plattenwerkstoff überzeugt es mit einem hohen sommerlichen Hitzeschutz, gutem Schallschutz, einer hohen Resistenz gegen Feuchte und Schimmel sowie einer geringen Brandneigung, ganz ohne Bedarf an problematischen Brandhemmern.

In gepresster Form als Ballen, aber auch als Plattenwerkstoff ist es schwer entflammbar, feuchte- und schimmelresistent und sorgt für ein angenehmes Raumklima.

In der Wachstumsphase binden die Getreidepflanzen jede Menge CO2. Der Energieverbrauch für die Strohgewinnung ist gering, dabei wird auch kaum CO2 verursacht. Stroh dämmt hervorragend, sodass Gebäude weniger Heizenergie verbrauchen und die damit verbundenen CO2-Emissionen sinken. Laut Fachverband Strohballenbau e. V. (FASBA) kann mit einer Strohdämmung der Passivhaus- bzw. KfW-Effizienzhaus 40 Standard erreicht werden. Als Wärmedämmstoff sind Strohballen vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) seit 2006 zugelassen. Für weitere Strohbauprodukte wie Einblasdämmungen oder Strohbauplatten existieren Normen und technische Zulassungen, die eine Vielzahl an Anwendungsvarianten ermöglichen.

Junge Getreidehalme auf einem Feld.
Getreide auf einem Feld kurz vor der Ernte.

Merkmale von Stroh

Nachwachsendes Stroh als Alternative

Stroh ist ein Restprodukt der Getreideernte und damit an vielen Orten regional verfügbar.

Durch den Getreideanbau in Deutschland fallen laut Deutschem Biomasseforschungszentrum jährlich etwa 30 – 35 Mio. Tonnen Stroh an. Abzüglich dessen, das für die Tierhaltung benötigt wird, bleiben zwischen 5 – 13 Mio. Tonnen übrig. Damit könnten schätzungsweise 350.000 Einfamilienhäuser gedämmt bzw. gebaut werden. Als Überbleibsel der Ernte ist Stroh regional verfügbar und wächst schnell nach. Der Energieaufwand für die Herstellung ist also gering, Umweltbelastungen fallen nicht an – auch im Vergleich zur Holzproduktion: Aus deutschen Wäldern werden pro Jahr 95 Mio. m3 Holz entnommen. Gemäß der Waldstrategie 2020 der Bundesregierung sollen es jährlich nicht mehr als 100 Mio. m3 sein. Damit ist das Potenzial der Holzernte in Deutschland fast ausgeschöpft (Quelle: NABU). Je nach Holzart müssen Bäume 30 bis 120 Jahre wachsen, bis sie hiebreif sind und so bietet Stroh neben anderen nachwachsenden Rohstoffen eine gute Alternative.

Pilotprojekte in Strohbauweise

Konstruktion der strohgefüllten Aussenwände eines Mehrzweckgebäudes der Abtei St. Wunibald.

Das Zukunftspotenzial von Stroh als Baustoff zeigt das mit 3,8 Mio. Euro geförderte Projekt „Up Straw“. Ziel des Interreg-Programms ist die Reduktion von CO2-Emissionen durch den Einsatz von Stroh. Die Teilnehmenden stammen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Über einen Zeitraum von 2017 bis 2020 sind in jedem Land Pilotprojekte in Strohbauweise realisiert worden. In Deutschland ist es ein dreigeschossiges Mehrzweckgebäude, das von der Benediktinerabtei in Plankstetten errichtet wurde. Aktuell soll das Haus St. Wunibald (noch) Deutschlands größtes strohgedämmte Gebäude sein.

Foto, Außenansicht von Holzfassade und des Eingangsbereichs eines zweistöckigen Gebäudes.

Strohballenhaus St. Wunibald

Im Kloster Plankstetten entstand der Neubau eines Mehrzweckgebäudes mit Holz aus dem klostereigenen Forst und Stroh von den ökologisch bewirtschafteten Feldern des Klosters.

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Entwicklung des Bauens mit Stroh

Die ersten Häuser aus Strohballen tauchten im 19. Jahrhundert im Norden der USA auf. Da Baustoffe wie Holz und Stein damals knapp waren, entwickelten Farmer in Nebraska Strohballenpressen, um das Stroh besser transportieren zu können. Die gepressten rechteckigen Ballen wurden ähnlich wie Ziegelsteine aufeinandergesetzt und mit Weidenruten oder Eisenstangen bewehrt. Anschließend verputzt, trugen sie das gesamte Gewicht des aufgesetzten Dachs.

In Deutschland ist das Bauen mit Strohballen seit rund 100 Jahren bekannt, hat sich aber bislang kaum durchgesetzt. Später entwickelte sich daraus die Holzständer-Bauweise, eine Form des Fachwerkbaus. Dabei werden die Strohballen mit langen Gewindestangen verschraubt und mit kurzen Stäben fixiert. Anschließend wird ein Kalk- oder Lehmputz auf die Außen- und Innenwände aufgebracht. Strohballen kombiniert mit Holzständer-Bauweise – oft als vorgefertigte Elemente – ermöglichen mehrgeschossige Häuser. Solche vorgefertigten Holz-Stroh-Systeme eignen sich sowohl für die Errichtung von Neubauten als auch für die Wärme- und Kältedämmung im Bestand. In Deutschland ist dieses Verfahren seit 2014 bauaufsichtlich anerkannt.

Innenansicht eines im Bau befindlichen Strohballenhauses.
Außenansicht eines im Bau befindlichen Strohballenhauses.

Strohbauplatten mit großem Potenzial

Strohbauplatten bieten im Trockenbau vielfältige Einsatzmöglichkeiten.

Eine der wichtigsten Bauweisen im Innenausbau ist der Trockenbau und laut Statista wurden im Jahr 2021 hierfür knapp 250 Mio. m2 Gipskartonplatten und 33 Mio. m2 Gipsfaserplatten produziert. Strohbauplatten erweisen sich hier als mögliche Alternative. Der Kern einer solchen Platte besteht aus hochverdichtetem Stroh ohne zusätzliche Bindemittel. Das Ganze wird dann mit Recyclingkarton ummantelt. Die Verbindung von Stroh und Karton erfolgt mithilfe von Weißleim. Nichttragende Innenwände sind damit schnell errichtet. Die Platten können einfach gesägt, gebohrt und verschraubt werden. Eine Grundierung sorgt für die Haftfähigkeit von z. B. Lehmputz (Quelle: istraw.tech-Netzwerk).

Auch zur Verschalung von Decken und Dachuntersichten werden Strohbauplatten eingesetzt. Durch ihre Stabilität eignen sie sich gut zur Herstellung von Installationsschächten und Abseiten im Dachgeschoss. Vollflächig aufliegend dienen sie als ökologische Trittschalldämmung. Ideal sind die Strohbauplatten auch für Tiny Houses, da sie stabil sind und gut dämmen.

Einblasdämmung aus Stroh

Stroh kann auch als Einblasdämmung genutzt werden.

Oftmals ist Bauen mit Strohballen aufwendig, denn alles muss sorgsam geprüft und zertifiziert werden. Und wegen möglicher Hohlräume zwischen den Ballen ist der Nachbesserungsbedarf groß. Mit einer Einblasdämmung lässt sich dieser Aufwand vermeiden. Dabei werden die Strohfasern mit Luftstrom bei definiertem Druck in das Bauteil eingebracht und verdichtet. Diese Technologie soll sich für Neubauten sowie Altbauten, Wände, Decken und Dächer gleichermaßen eignen (Quelle: FNR/Dämmstoffe). Bauteile lassen sich damit vollständig und ohne jede Lücke verfüllen. Auch die Installations- und Elektroleitungen werden komplett umschlossen. Das Ergebnis dämmt gut gegen Kälte und schützt vor Hitze im Sommer.

Lasttragender Strohbau erfordert Zulassung

Hingegen erfordert lasttragendes Bauen mit Strohballen in Deutschland weiterhin eine Genehmigung im Einzelfall. Hierfür ist es wichtig, ausreichend Zeit einzuplanen, da diese Zustimmung von den jeweils zuständigen Bauaufsichtsbehörden der Bundesländer vergeben wird. In Deutschland gibt es laut FASBA noch „keine allgemein anwendbaren Verfahren und Bemessungskonzepte, um Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Gebäuden mit lasttragenden Bauteilen aus Strohballen nachzuweisen“, was, je nach Behörde einen eventuell umfangreichen Prozess nach sich ziehen kann.

Fragen zu Feuchte, Insekten oder Brennbarkeit

Bei aller Tauglichkeit als Baustoff hat Stroh auch einige Nachteile, die sich aber ausgleichen lassen. Wenn Stroh feucht wird, kann es schimmeln, deshalb muss Stroh trocken verarbeitet werden und zu festen Ballen gepresst oder durch Luftdruck verdichtet werden. Wetterfeste Kalkputze schützen Außenwände vor Regen. Um wetterunabhängig bauen zu können, sind Module eine gute Lösung, die in der Halle vorproduziert werden. Das pflanzeneigene Lignin schützt gegen Nager und Insekten, da es schwer verdaulich ist. Loses Stroh ist zwar leicht brennbar, jedoch sind fest gepresste Ballen deutlich schwerer entflammbar. Auch der hohe Anteil an natürlichen Silikaten im Stroh setzt die Entflammbarkeit stark herab. Wird dann noch beidseitig ein 8 mm starker Lehmputz aufgetragen, erreicht eine strohgedämmte Holzständerwand laut Strohbaurichtlinie die Feuerwiderstandsklasse F 30 „feuerhemmend“.

Perspektiven von Stroh als Baumaterial

Stroh rückt zu Recht in den Fokus der Öffentlichkeit als nachhaltiger, regional verfügbarer und kreislauffähiger Bau- und Dämmstoff, denn die deutsche Baubranche verbraucht jährlich 517 Mio. Tonnen an Natursteinen, Kies und Sand. Davon landen über 200 Mio. Tonnen als Bauschutt im Müll.

Foto, Blick auf eine Zementwerk unter blauem Himmel. Im Vordergrund ein großer Sandberg

Ressourcen im Bauwesen

Überblick über die weltweite Bedeutung der Nutzung von Ressourcen, die Perspektive auf den Bausektor sowie ausgewählte Regularien seitens der EU und Deutschlands.

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Foto, ein großer Schutthaufen eines abgerissenen Gebäudes auf dem zwei Bagger stehen. Im Hintergrund eine Gebäuderuine.

Zero Waste im Bausektor

Innovationen und Zertifizierungen sind Hebel für eine umfassende Abfallbewirtschaftung im Bausektor.

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Mineralische Rohstoffe werden knapper, die Produktion von Baustoffen wie Beton oder Zement ist energieintensiv. Hinzu kommt die Primärenergie, die benötigt wird, um Gebäude zu errichten und zu betreiben. Sind diese auch noch schlecht gedämmt, treibt das Kosten sowie Umweltbelastung zusätzlich in die Höhe.

In anderen Ländern Europas, besonders in Frankreich, ist man beim Bauen mit Stroh schon weiter. Dort stehen laut FASBA zwischen 5.000 bis 6.000 Strohbauten, in Deutschland etwa 500. Hierzulande handelt es sich meist um Ein- oder Zweifamilienhäuser, wohingegen in Frankreich sogar Schulen, Kindergärten und andere öffentliche Gebäude in Strohballenbauweise errichtet wurden. In Frankreich gibt es seitens der Regierung Bestrebungen, mit einem neuen Nachhaltigkeitsgesetz das nachhaltige Bauen voran zu treiben, indem festgelegt werden soll, dass öffentliche Gebäude ab 2022 zu mindestens 50 Prozent aus Holz oder anderen natürlichen Materialien zu bauen sind.

Stroh hat viele Vorteile, die weiter oben beschrieben wurden. Dass es sich nach der Lebensdauer eines Hauses einfach auf dem Acker kompostieren lässt, bietet eine weitere wichtige Grundlage für ein kreislauffähiges Bauen der Zukunft. Seine leichte Verfügbarkeit ist eine Chance, in ländlichen Gebieten profitable Wertschöpfungsketten aufzuziehen und somit auch strukturschwächere Regionen sowie kleinere Betriebe und Produzenten zu stärken.

Einen Überblick über rund 1.500 in Europa aktuell realisierte Strohbau-Projekte sowie Anwendungstechniken gibt die European Straw Building Association ESBA.

Downloads

  • Strohbaurichtlinie SBR-2019

    Diese Strohbaurichtlinie fasst die Erfahrungen und das Wissen der Strohbauakteure in Deutschland zusammen mit dem Ziel , diesen ein klares, abgesichertes Regelwerk an die Hand zu geben und damit für das Bauen mit Stroh einen Qualitätsstandard zu setzen. FASBA – Fachverband Strohballenbau Deutschland e. V.

    Stand: Oktober 2019

    PDF 666 KB

  • Praxishilfen

    Wärmebrückenkatalog Strohballenbau

    Dieser Wärmebrückenkatalog beinhaltet eine Vielzahl von Ausführungsdetails für gängige Anschlusssituationen im Strohballenbau und ist Teil des Projekts UP STRAW, gefördert durch das Interreg-Programm der Europäischen Union. FASBA – Fachverband Strohballenbau Deutschland e. V.

    Stand: Januar 2021

    PDF 7,7 MB

  • Umwelt-Produktdeklaration (EPD) für Baustrohballen

    Umwelt-Produktdeklaration (EPD) für Baustrohballen nach ISO 14025 und EN 15804 vom 10.10.2019, gültig bis 10.10.2024. FASBA – Fachverband Strohballenbau Deutschland e. V.

    Stand: Oktober 2019

    PDF 1,2 MB

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