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Mit seriellem Sanieren den Gebäudebestand fit für 2045 machen

Stand: September 2023
Foto, Michael Hörnemann

Serielles Sanieren bietet die Chance, Bestandsgebäude schnell und mieterfreundlich auf einen klimaneutralen Stand zu bringen. Michael Hörnemann, Experte für serielles Sanieren beim Öko-Zentrum NRW, über den aktuellen Aufschwung der innovativen Sanierungsweise und ihre Zukunftspotenziale. 

Herr Hörnemann, wann verlässt serielles Sanieren den Nischenstatus im Baugeschehen?  

Wir sind auf einem guten Weg. Serielles Sanieren entwickelt sich zu einem völlig neuen, wachstumsstarken Marktsegment. Großen Schub hat die „Bundesförderung Serielle Sanierung“ gegeben, die seit 2021 technische Innovationen unterstützt und bereits zahlreiche Pilotprojekte gefördert hat. Da sind wirklich gute Lösungen für unterschiedlichste Gebäudetypen entstanden. Und mit dem neuen BEG-Bonus hat die Nachfrage für serielles Sanieren nochmals an Fahrt aufgenommen. 

Allein im ersten Quartal 2023 ist der Anteil serieller Sanierungen bei KfW-geförderten Effizienzhäusern 55 und 40 von 2 auf 16 Prozent gestiegen. Inzwischen sind auch die großen Player wie Saint-Gobain, Vaillant, Vonovia oder LEG ins serielle Sanieren eingestiegen. Die realisieren Projekte mit Hunderten von Wohnungen. Aber auch regionale Akteure sind im großen Stil dabei. Die GEWOBAU Erlangen als ein kommunales Wohnungsunternehmen setzt aktuell mit 6.000 Wohneinheiten das größte serielle Sanierungsprojekt in Deutschland um. 

Gleichzeitig zeigen diese ersten Projekte aber auch, wo beim Prozess und der technischen Umsetzung noch optimiert werden muss. Beim Ökozentrum NRW unterstützen wir diesen Innovationsprozess – damit alle Learnings letztendlich in eine verbesserte Lösung einfließen, bis die Vorzüge des seriellen Sanierens voll zum Tragen kommen.

Welche Vorteile bietet serielles Sanieren? 

Serielles Sanieren punktet zunächst in Sachen Mieterfreundlichkeit. Bewohnerinnen und Bewohner können während der gesamten Sanierung weitestgehend ungestört im Gebäude wohnen bleiben. 80 Prozent der Arbeiten passieren vorab in der Werkshalle. Die einzelnen Module wie gedämmte Fassaden oder Solardachelemente werden dann mithilfe eines Krans direkt außen am Gebäude montiert. So haben die Mieterinnen und Mieter nicht monatelang eine Plane vor dem Haus flattern oder werden von Presslufthammern aus dem Schlaf getrieben. Das wohl schlagkräftigste Argument ist aber: Die Montagezeit der Fassadenelemente selber beträgt in der Regel nur wenige Wochen. Das ist oftmals ein Bruchteil der Bauzeit gegenüber einer herkömmlichen Sanierung – wir sprechen da von wenigen Wochen im Vergleich zu mehreren Monaten. 

Das schließt aber nicht die Planungszeit ein. 

Korrekt. Die Planungszeit kommt natürlich noch hinzu. Das Gebäude muss dabei millimetergenau abgenommen werden. Das ist technisch sehr anspruchsvoll. Mithilfe von Instrumenten wie 3D-Laserscans oder Drohnen wird am Ende ein digitaler Zwilling erstellt, der dann als Grundlage für das Herstellen der einzelnen Module dient. Hier werden wir in Zukunft sehr davon profitieren, wenn Bauherren und Planende das Building Information Modeling (BIM) von Beginn an konsequent nutzen. Hinzu kommt, dass serielles Sanieren ein vernetztes, integrales Planen von Anfang an voraussetzt. Gerade was die Haustechnik angeht, ist das sehr komplex. So muss jede einzelne Lüftungsanlage und jede Heizung in der Gebäudehülle mitgeplant werden. Das verlangt eine gute Kommunikation zwischen allen beteiligten Akteuren.

Serielle Sanierungen gelten als langfristig rentabel, haben aber hohe Anfangskosten. Wie können sich das kleinere Wohnungsgesellschaften oder gar private Eigentümer leisten?

Ja, das schien über längere Zeit tatsächlich schwer möglich – aber es geht, wie die Wohnungsbaugenossenschaft am Vorgebirgspark eindrucksvoll bewiesen hat. Die  hat in Köln-Zollstock das erste serielle Sanierungsvorhaben in der deutschen Energiesprong-Historie mit dem ambitionierten Effizienzstandard 40 EE gestemmt. Damit erfüllt das Bestandgebäude die hohen Energieanforderungen, die für Neubauten ab 2025 gesetzlich vorgeschrieben sind. Das Projekt hat sich aufgrund attraktiver Förderkonditionen auch ökonomisch ausgezahlt. Die Gesamtkosten der energetischen Modernisierung betrugen 1,9 Millionen Euro. Davon wurden 876.000 Euro über das BEG-Programm des Bundes und 235.000 Euro über das damalige Interreg-Programm der EU gefördert. Heute bietet die neue BEG-Förderung zudem enorme Potenziale: Mit Tilgungszuschüssen und zinsgünstigen KfW-Krediten ist das serielle Sanieren bei deutlich schnellerer Umsetzung in etwa auf dem Kostenniveau herkömmlicher energetischer Modernisierungen – und ist dadurch auch wirtschaftlich rentabel.

Kann jedes Gebäude nach dem Energiesprong-Prinzip saniert werden?

Bei verschachtelten Bauten bietet sich das serielle Sanieren eher nicht an. Laut Portfolioanalysen sind insgesamt bis zu 40 Prozent aller Gebäude in Deutschland potenziell für eine serielle Sanierung geeignet. Einen großen Erfahrungsschatz gibt es schon heute bei den Gebäudeklassen zwei und drei. Was Einfamilienhäuser betrifft, gibt es dagegen noch unausgeschöpftes Potenzial: Nicht selten gibt es ganze Quartiere mit ähnlichen Gebäudetypen. Diese könnten zukünftig im großen Stil saniert werden. 

Wie unterstützt das Öko-Zentrum NRW serielle Sanierungsvorhaben?

Wir sind seit November 2022 Regionalpartner der dena für serielles Sanieren in Nordrhein-Westfalen. Wir schaffen ein Netzwerk aus verschiedenen Akteuren der regionalen Wohnungs- und Bauwirtschaft und bauen das kontinuierlich aus. Zum einen sprechen wir dabei aktiv Unternehmen aus der Bauwirtschaft an, die aus unserer Sicht prädestiniert dafür sind, vorgefertigte Module anzubieten. Aktuell werden die meisten Module in Holzbauweise angeboten. Zukünftig ist hier eine größere Bandbreite an Baustoffen wünschenswert. Ebenso treten wir an Unternehmen aus der Wohnungswirtschaft heran, um von dem Konzept zu überzeugen. Unser Ziel ist es letztlich, die Sanierungsquote insgesamt deutlich zu erhöhen. Diese dümpelt aktuell bei einem Prozent und muss mindestens auf zwei Prozent und mehr steigen. 

Ihr Tipp: Wie sollten Planende oder Bauherrinnen und Bauherren konkret vorgehen, wenn sie sich für eine serielle Sanierung interessieren?

Für die Findungsphase bieten wir beim Öko-Zentrum NRW gemeinsam mit der dena kostenlose Portfolioanalysen, Kick-off-Workshops, Online-Fördertalks sowie Exkursionen zu seriellen Sanierungsprojekten an, und stehen für Fragen zur Verfügung. Zudem ist wichtig, Energieberatende schon früh mit ins Boot zu holen. Sie können mit Instrumenten wie dem individuellen Sanierungsfahrplan dabei unterstützen, eine passgenaue Umsetzungsstrategie zu entwickeln. Wenn diese ersten Schritte geklärt sind, gilt es einen geeigneten Anbieter zu finden. Die Lösungsanbieterplattform der dena bietet hier zum Beispiel eine hilfreiche Übersicht. Auf Wunsch stellen wir beim Öko-Zentrum aber auch gerne den Kontakt zu einem passenden Unternehmen her. 

Welche Innovationen gibt es bereits im Bereich serielles Sanieren? Welche Neuerungen sind in den kommenden Jahren zu erwarten?

Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen die entwickelten Module skalierbar und kostengünstig sein. Gerade hier müssen wir langfristig noch stärker werden. Die LEG hat da in Mönchengladbach ein spannendes Reallabor mit fünf unterschiedlichen Baupartnern gestartet. Jeder Partner setzt in einem Quartier mit 16 baugleichen Mehrfamilienhäusern aus den 50er Jahren einen etwas anderen seriellen Sanierungsansatz um. Erprobt werden hier innovative Lösungen, die das serielle Sanieren schneller, kostengünstiger und mieterfreundlicher machen. Ich bin auf die Ergebnisse enorm gespannt! Zudem werden die Module natürlich auch kostengünstiger, je mehr Unternehmen in das serielle Sanieren einsteigen. Was die Nachhaltigkeit in Sachen Baumaterialien angeht, sind wir mit der zumeist verwendeten Holzbauweise schon sehr gut aufgestellt. Allerdings gibt es auch für Dämmstoffe schon sehr gute Lösungen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Hanf, die bislang noch wenig verwendet werden. Und das Potenzial ist hier noch lange nicht ausgereizt! 

Über Michael Hörnemann

Michael Hörnemann ist Ansprechpartner für serielles Sanieren beim Öko-Zentrum NRW. Das Öko-Zentrum NRW ist Netzwerkpartner des Gebäudeforums klimaneutral und bietet für Interessierte kostenfreie Beratungen zum Thema serielles Sanieren an. Mehr Informationen zu den Aktivitäten des Öko-Zentrums im Bereich serielles Sanieren können auf der Website des Öko-Zentrums NRW abgerufen werden.

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