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„Für Wärmepumpen gibt es doch mehr als eine Lösung!“

Stand: Juni 2023
Foto, Franziska Bockelmann

Wenig erhitzt aktuell die Gemüter mehr als der Streit um Wärmepumpen. In welchen Fällen lohnt sich der Einbau? Was muss ich beachten? Und welche Innovationen sind zu erwarten? Ein einordnendes Gespräch mit Franziska Bockelmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Steinbeis-Innovationszentrum (siz) energieplus und Mitentwicklerin des Pre-Check-Tools WPsource, das zu Beginn der Planung von Versorgungskonzepten bei der Dimensionierung einer Wärmepumpe hilft.

Wärmepumpen gelten als Schlüsseltechnologie der Wärmewende. Was ist bei ihrem Einbau zu beachten?

Zunächst sollte genau geprüft werden, wie eine Wärmepumpe unter den Bedingungen vor Ort möglichst effizient betrieben werden kann. Denn was viele Menschen nicht wissen: Wärmepumpe ist nicht gleich Wärmepumpe. Es gibt verschiedene Arten und auch Kombinationsmöglichkeiten. Am beliebtesten ist im Moment die Luft-Wasser-Wärmepumpe. Sie lässt sich am einfachsten einbauen und verursacht dabei die geringsten Kosten.

Zudem gibt es die erdgekoppelten Wärmepumpen, die Erdwärme als Wärmequelle nutzen oder andere Wärmepumpen, die das Grundwasser als Quelle verwenden. Die arbeiten enorm effizient. Dabei werden beispielsweise Sonden bis zu 400 Meter in die Tiefe gebohrt. Aber, klar, das ist gegenüber Luft-Wasser-Wärmepumpen relativ teuer und aufwändig. Erleichterung schafft hier die BAFA-Förderung, die inzwischen auch die Erschließung von Grundwasser oder Erdwärme finanziell unterstützt.

Es kursieren viele Vorurteile über Wärmepumpen. Welche begegnen Ihnen am häufigsten?

Die Vorlauftemperatur wird häufig als KO-Kriterium der Wärmepumpe im Bestand diskutiert. 

Dabei sind in den meisten Fällen höhere Vorlauftemperaturen über 55 Grad nur bei extremen Außentemperaturen nötig. Wir reden hier über minus 15 Grad! So kalt wird es höchstens an ein paar Tagen im Jahr – und dann kann immer noch der integrierte Heizstab der Wärmepumpe anspringen. Es ist wichtig, den gesamten Jahresverlauf der erforderlichen Vorlauftemperaturen zu kennen bzw. zu ermitteln.

Ähnlich unsinnig ist die Behauptung, dass Bestandsgebäude für Wärmepumpen komplett saniert werden müssten. Ich brauche nicht zwangsläufig eine 10 Zentimeter-Außenwanddämmung, um eine Wärmepumpe zu betreiben. Was natürlich richtig ist: Bei Wärmepumpen wägt man stärker ab, vielleicht doch noch weitere Sanierungsmaßnahmen anzugehen. Wie viel Energie spare ich durch die Dämmung? Und kann ich die Investitionen im Betrieb langfristig wieder reinholen? Ähnliches gilt auch für Heizkörper. Klar ist eine Flächenheizung energieeffizienter, aber auch mit herkömmlichen Heizkörpern kann es in der Regel klappen. Oft helfen schon überschaubare Investitionen wie der Austausch einzelner Heizkörper und Fenster oder auch eine Dachdämmung.

Wie unterstützen Sie bei siz energieplus, eine geeignete Wärmepumpenlösung zu finden?

Für Architektinnen und Architekten sowie Energieberatende haben wir das Vordimensionierungstool WPsource weiterentwickelt. Besonders hilfreich ist es in der Leistungsphase 0. Dann kann ich verschiedene Möglichkeiten austesten und grundlegende Fragen klären: Welche Wärmequellen kann ich nutzen? Wie groß muss die Wärmepumpe sein? Kann ich meine Wärmepumpe mit PV-Modulen oder Solarthermiekollektoren koppeln? Braucht es eine Hybridlösung? Auf dieser Basis wird dann ein Konzept entwickelt. Das Tool eignet sich genauso gut auch für den Bestand. Zudem arbeiten wir an unserem Innovationszentrum gemeinsam mit dem Ingenieursbüro energydesign Versorgungskonzepte aus und betreuen die Umsetzung und das anschließende Monitoring. In vielen Projekten werden dabei Wärmepumpen integriert. Darunter sind beispielsweise Bürogebäude, die schon seit 2010 und früher zu 80 Prozent über eine Wärmepumpe betrieben werden und zu 20 Prozent über einen Gasbrennwertkessel. Letzteres wird zur Spitzenlastdeckung und für Trinkwarmwasser verwendet.

Tooltipp: WPsource

Das Tool WPsource wurde im Rahmen des Forschungsprojekts future:heatpump der TU Braunschweig erstellt und am Steinbeis-Innovationszentrum (siz) energieplus im Rahmen von future:heatpump_II erweitert und überarbeitet.

Mehr zum Vordimensionierungs-Tool WPsource

Welche Vorteile bringt die Kopplung von Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen?

Wenn ich eine Wärmepumpe mit eigenem Solarstrom betreibe, ist es deutlich günstiger und ich nutze obendrein nachhaltigen Strom. Und das funktioniert auch im Winter, wenn die Sonne mal weniger scheint. Dabei sorgt ein Stromspeicher für zusätzliche Flexibilität. An bedeckten Tagen wird der erzeugte und batteriegespeicherte Strom aber nicht ausreichen – dann muss ich zusätzlich auch Strom aus dem Netz beziehen.

Ist die Kombination für alle Gebäudetypen möglich?

Ja, aber es gibt hier unterschiedliche Herausforderungen. Bei Mehrfamilienhäusern habe ich ein Flächenproblem: Im Verhältnis habe ich hier weniger Dachfläche für PV-Anlagen zur Verfügung und muss versuchen, auch die Fassade zu nutzen. Bei Bürogebäuden wird der PV-Strom häufig schon tagsüber durch Computer, Klimaanlagen und Co. verbraucht. Hier werde ich zusätzlich Strom aus dem Netz nutzen müssen.

Mit der angestrebten GEG-Vorgabe von 65 Prozent erneuerbaren Energien sind Hybridlösungen auch weiterhin möglich. Wie genau kann das aussehen?

Bei Hybridlösungen wird die Grundlast durch die Wärmepumpe zur Verfügung gestellt und erst für die Spitzenlast der Gasbrennwertkessel zugeschaltet. Das kann auch eine Möglichkeit bei Bestandsgebäuden sein, um die Kosten für Sanierungen über einen längeren Zeitraum zu strecken. Ich kann dann eine Wärmepumpe erst mal einbauen und ihren Betriebsanteil mit jeder neuen Sanierung nach und nach steigern. So dass zum Schluss der Gasbrennwertkessel ganz entfallen kann.

Welche neuen Innovationen gibt es im Bereich Wärmepumpe?

Besonders was die Lautstärke angeht, hat sich in den vergangenen Jahren viel getan: Wärmepumpen werden immer leiser im Betrieb – inzwischen gibt es richtige Flüster-Wärmepumpen. Spannend ist auch, dass der Trend immer mehr in Richtung Quartierslösungen geht. Hier entstehen aktuell viele Leuchtturm-Projekte! Bestes Beispiel ist das Projekt QUARREE 100 in Heide, Schleswig-Holstein. Da arbeiten gerade 20 Verbundpartner an einem nachhaltigen Energieversorgungssystem für ein ganzes Stadtquartier. Wärmepumpen sollen da die zentrale Rolle spielen. Gerade wird die Wärmeversorgung noch mit der Stadt Heide abgestimmt und Ende 2024 sollen die ersten Kunden schon an das Wärmenetz angeschlossen werden. Das ist enorm spannend und zeigt eine völlig neue Dimension für Wärmepumpen im Betrieb auf!

Was muss in Wissenschaft und Politik zukünftig passieren?

Die technischen Lösungen, um Wärmepumpen großflächig einzubauen, liegen eigentlich schon alle vor – und zwar vom Einfamilienhaus bis hin zum Nichtwohngebäude. Es ist aber wichtig, dass diese Lösungen nicht in der Wissenschaft versauern. Dafür müssen wir mehr Best-Practice-Beispiele zeigen. Leute müssen bei ihren Nachbarn über den Zaun gucken können und sehen, dass es klappt. Außerdem hilft Monitoring, um Fehler zu vermeiden und Wärmepumpen noch effizienter zu betreiben. Die im Versorgungskonzept in der Planung berücksichtigten Randbedingungen treten selten zu 100 Prozent ein. Zumal das Nutzerverhalten eine große Unbekannte ist. Deswegen lohnt sich immer der Blick: Wie lief die Wärmepumpe im vergangenen Jahr und wie kann ich den Betrieb optimieren?

Über Franziska Bockelmann

Franziska Bockelmann arbeitet seit 2019 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Steinbeis-Innovationszentrum (siz) energieplus in Braunschweig. Bis 2022 begleitete sie das Projekt future:heatpump_II. Zudem ist sie für Forschungsprojekte zu den Themen oberflächennahe Geothermie und Wärmepumpen sowie Monitoring und Optimierung von Gebäuden und Anlagen mit regenerativer Energieversorgung verantwortlich.

Projektteilnehmer gesucht

Ein wissenschaftliches Forschungsprojekt möchte das technische Monitoring in 100 Gebäuden evaluieren, indem es Projekte begleitet. Hierfür werden noch weitere passende Projekte sowie Teilnehmende an einer Umfrage gesucht.

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