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„Kahlschlag? Es wächst doch mehr nach, als wir entnehmen!"

Stand: Februar 2025
Foto, Adrian Blödt

Adrian Blödt, Zimmerermeister, Bauphysiker und neuer Präsident des Holzbau Deutschland Instituts, erläutert im Gespräch, warum der Holzbau längst keine romantische Nische mehr ist, welche Herausforderungen die Branche bewältigt und warum Holz das Potenzial hat, die Bauweise der Zukunft zu werden.

Viele sehen Holzbau in einer romantischen Nische. Wie schätzen Sie das ein?

Das ist Quatsch – Holzbauten sind kein Nischenprodukt mehr. Im Einfamilienhausbau beträgt der Marktanteil etwa 30 Prozent. Da kann man schon von einer etablierten Bauweise sprechen. Natürlich gibt es regionale Unterschiede – der Süden liegt leicht vorne, aber die Entwicklung ist eindeutig. Auch im Geschosswohnungsbau, wo der Holzbauanteil bei 6 bis 7 Prozent liegt, verzeichnen wir zweistellige Wachstumsraten. Derzeit rechnen wir für 2026 mit bis zu 12 Prozent Marktanteil im Bereich des Mehrfamilienwohnhausbaus.

Taugt Holz denn zum Klimaschützer?

Holz ist tatsächlich einer der effektivsten Klimaschützer, den wir im Bauwesen haben. Kaum ein anderer Baustoff speichert CO2 so effizient wie Holz. Während seines Wachstums nimmt ein Baum CO2 aus der Atmosphäre auf und speichert es in Form von Kohlenstoff. Dieses CO2 bleibt auch dann gebunden, wenn das Holz verarbeitet wird – für Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte, solange das Holz in Gebäuden oder Möbeln genutzt wird. Darüber hinaus punkten gerade heimische Hölzer mit einer hervorragenden Ökobilanz. Es benötigt im Vergleich zu Beton oder Stahl deutlich weniger Energie in der Produktion, was den CO2-Ausstoß weiter reduziert. Gleichzeitig können wir durch innovative Ansätze, wie die Wiederverwendung von Holz aus alten Gebäuden, eine echte Kreislaufwirtschaft schaffen.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Die Forschung beschäftigt sich intensiv damit, wie sich Schadstoffbelastungen und metallische Fremdkörper aus Holz entfernen und so die Grundlagen für eine Zweitverwendung des Holzes schaffen lassen, zum Beispiel im Recycling for Reuse Programm . Anderseits wird an vielen Instituten an Systemkonzepten gearbeitet, die schnell lösbare Verbindungen aus Holz bereitstellen. Das kann dann eine spätere Demontierbarkeit sicherstellen. Ziel ist es, durch einfache systemische Ansätze das Holz nach der ersten Nutzungszeit unmittelbar in den Zweiteinsatz zu bringen. So können wir das noch etwas aufwändige Entfernen der Verbindungsmittel umgehen.

Welche weiteren Vorteile bietet Holz?
Holz überzeugt als Baustoff sowohl technisch als auch wirtschaftlich. Es hat eine hohe Tragfähigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht, was Bauprozesse erleichtert und den Materialeinsatz optimiert. Holz bietet eine bessere Wärmedämmung, reguliert Feuchtigkeit. Es sorgt für ein behagliches Raumklima. Wirtschaftlich punktet Holz durch seine Langlebigkeit und die Möglichkeit zur Vorfertigung, was Bauzeiten reduzieren und Kosten senken kann. Besonders spannend sind moderne Holzbauweisen, die mittlerweile sogar mehrgeschossige Gebäude ermöglichen.

Wie sieht es mit der Sanierung aus? Welche Rolle spielt Holz dort?

Die Sanierung bietet ein riesiges Potenzial für den Holzbau. Vor allem bei seriellen Ansätzen, wie vorgefertigten Fassadenelementen, sind wir schnell und effizient. Ein Beispiel ist das digitale Aufmaß und die Vorfertigung von kompletten Bauteilen, die dann direkt an die bestehenden Gebäude montiert werden. Das spart Zeit, reduziert den Arbeitsaufwand und ist perfekt auf die Anforderungen des Sanierungsmarkts zugeschnitten.

Kritiker warnen jedoch vor Abholzung ganzer Waldgebiete und Ressourcenknappheit. Wie wollen Sie nachhaltig mehr Holz für den Gebäudesektor nutzen?

Kritiker sprechen von Abholzung, doch ein Blick auf die Bundeswaldinventur zeigt ein anderes Bild. Die Biomasse in Deutschlands Wäldern ist in den letzten zehn Jahren um 4,5 Prozent gestiegen, obwohl wir Holz nutzen. Der Grund dafür ist, dass wir fast ausschließlich den jährlichen Zuwachs entnehmen. Das bedeutet, der Wald bleibt in seiner Substanz erhalten. Durch immer mehr Totholz, das im Wald verbleibt, steigt die Biodiversität. Wenn wir viel Fichtenholz entnehmen, liegt es daran, dass der Klimawandel Fichten in vielen Regionen besonders zusetzt und sie beispielsweise wegen Schädlingsbedrohung gefällt werden müssen. Dafür entnehmen wir bei Buche oder Eiche nur die Hälfte des Zuwachses. Wir räubern die Wälder also nicht aus, sondern fördern den Waldumbau hin zu klimaresilienten Mischwäldern.

Wissen Sie eigentlich, ob auf deutschen Baustellen nachhaltiges Holz verwendet wird?

Die nachhaltige Nutzung von Holz und Holzprodukten aus dem Ausland kann gewährleistet werden, wenn Hersteller beispielsweise PEFC-Zertifikate besitzen und dies nachweisen können. Noch enger lässt sich der Herkunftsbereich definieren, indem auf Holz mit PEFC-Regional-Label zurückgegriffen wird. Dadurch kann die nachhaltige Holzbewirtschaftung auf eine klar abgegrenzte Region zugeschnitten werden.

Aber was passiert, wenn wir mit immer mehr Holz bauen? Ist genug Holz vorhanden, um den Bedarf zu decken?

Das hängt davon ab, wie effizient wir mit Holz umgehen. Statt alles mit Massivholz zu bauen, können wir auf Tafel- oder Ständerbauweisen setzen, die deutlich weniger Holz benötigen. Massivholz kann dann dort eingesetzt, wo es bautechnisch absolut notwendig ist. Sowohl die Massivholzbauweise und die Holztafelbauweise müssen parallel zueinander optimal eingesetzt werden. Weiterhin gibt es im Hinblick auf die Holzarten Alternativen wie Douglasie oder Tanne, die bisher seltener genutzt werden. Und natürlich spielt die Kreislauffähigkeit eine große Rolle. Wenn wir Holz aus bestehenden Gebäuden wiederverwenden, können wir den Bedarf an Primärholz weiter reduzieren.

Was meinen Sie konkret mit Kreislauffähigkeit? Wie gut lässt sich Holz recyceln?

Kreislauffähigkeit bedeutet, dass wir Holz so einsetzen, dass es am Ende seiner Lebensdauer nicht verbrannt, sondern erneut verwendet werden kann. Das fängt bei der Dokumentation der eingesetzten Materialien an. Wenn wir wissen, wo welches Holz verbaut wurde, können wir es gezielt zurückgewinnen. Ein Beispiel sind modulare Holzgebäude, die abgebaut und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden können. In Hessen gibt es Projekte, bei denen Schulgebäude in modularer Bauweise errichtet werden. Diese modularen Schulgebäude werden an verschiedenen Orten aufgestellt und dann wiederverwendet – je nachdem, wo Bedarf besteht. So schaffen wir echte Kreisläufe, ähnlich wie in der Denkmalsanierung, wo Holz traditionell mehrfach genutzt wird.

Können wir Holz vollständig ohne synthetische Klebstoffe verwenden? Gibt es Alternativen?

Der Trend zum leimlosen Holzbau ist ohne Zweifel da. Es gibt bereits viele Ansätze, Holz ohne Klebstoffe zu verwenden. In der Massivholzbauweise können wir beispielsweise Brettstapelelemente herstellen, die mit Holzdübeln verbunden werden. Auch diagonale Brettschalungen sind eine Möglichkeit. Dazu wird gerade sehr viel geforscht. In der Holztafelbauweise verwenden wir oft mechanische Verbindungen wie Nägel oder Klammern. Es gibt also Alternativen, aber sie sind nicht immer für alle Projekte geeignet. Bei stark belasteten Bauteilen sind Klebstoffe mitunter noch unverzichtbar.

Gehören Holzbau und biogene Dämmstoffe zusammen?

Naturdämmstoffe wie Hanf, Zellulose oder Schilfrohr sind eine ideale Ergänzung zum Holzbau. Sie bieten nicht nur eine hervorragende Dämmleistung, sondern speichern ebenfalls dauerhaft CO2. In den Gebäudeklassen 1 bis 3 können wir solche Materialien problemlos einsetzen. Schwieriger wird es in den höheren Gebäudeklassen, da hier strengere Brandschutzvorgaben gelten. Baden-Württemberg hat in diesem Bereich aber bereits Fortschritte gemacht und biogene Dämmstoffe auch für höhere Gebäude zugelassen.

Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus? Ist Holzbau teurer als Massivbau?

Holzbau ist derzeit oft noch etwas teurer, wenn man nur die reinen Baukosten betrachtet. Das liegt daran, dass wir bei der Bauweise noch nicht alle Effizienzpotenziale ausgeschöpft haben. Durch Forschung konnten wir jedoch in den letzten Jahren Kosten senken. Es ist zu erwarten, dass durch beharrliche praxisorientierte Forschung weitere ökonomische Potenziale erschlossen werden.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Nehmen Sie den Schallschutz bei Holzbalkendecken. Früher haben wir schwere Schüttungen auf die Decke aufgebracht – oft kombiniert mit Federschienen. Das hat nicht nur Material- und Arbeitskosten verursacht. Auch die statischen Lasten auf das Tragwerk haben sich erhöht, was zusätzliche Kosten für die gesamte Konstruktion nach sich zog. Durch intensive Forschung konnten wir Alternativen entwickeln, bei denen wir auf die Schüttung verzichten können. Heute erreichen wir durch optimierte Unterdecken und andere innovative Konstruktionen mit weniger Kosten besseren Schallschutz als früher. Dadurch sparen wir pro Quadratmeter Deckenfläche etwa 40 Euro an Materialkosten – und dazu kommen noch die Einsparungen durch die geringeren Lasten auf das Tragwerk.

Gibt es spezielle Strategien, um Holzbau wirtschaftlicher zu machen?

Bei Hybridbauprojekten werden die Vorteile verschiedener Materialien kombiniert, um Kosten zu senken, ohne dabei auf die spezifischen Stärken der Holzbauweise zu verzichten.
Ein typisches Beispiel ist die Kombination von Holz für Wände und Decken mit Beton für tragende Bauteile oder Fundamente. Holz bietet hier den Vorteil eines hohen Vorfertigungsgrads. Beton hingegen wird dort eingesetzt, wo es um hohe Belastbarkeit oder die Brennbarkeit eines Baustoffs geht. Diese gezielte Materialkombination führt zu wirtschaftlichen Lösungen, die sich insbesondere für größere Projekte wie den sozialen Wohnungsbau eignen, bei denen Effizienz und Kosten eine zentrale Rolle spielen. Wird der Beton mit den Holzwänden verbunden, lassen sich die Materialien am Ende des Lebenszyklus auch wieder sortenrein trennen.

Skeptiker führen oft Brandschutz und Witterungsschutz als Argumente gegen den Holzbau an. Was entgegnen Sie?

In den letzten 15 Jahren haben wir intensiv geforscht und klare Regeln entwickelt. Der Brandschutz im Holzbau ist heute ebenso zuverlässig wie im Massivbau, solange die Vorgaben eingehalten werden. Auch der Witterungsschutz ist kein Problem, wenn Holz richtig eingesetzt wird. Jeder Wanderer kennt es: Alpenhütten stehen auf Steinfundamenten mit Abstand vom Erdboden und überstehen jahrhundertelang unbeschadet, weil der „Fuß“ trocken bleibt. Daraus lernen wir: Holz hält lange, wenn man die materialgerechte Anwendung berücksichtigt. Das Holzbau Deutschland Institut und der Informationsdienst Holz bieten zum fachgerechten Holzbau viele Handreichungen an. Darüber hinaus wird derzeit eine Schulungsplattform durch den Informationsdienst Holz entwickelt, die sich auf holzbaugerechtes Bauen konzentriert.

Sie richten gemeinsam mit dem Bauhaus Erde am 20.03.2025 das Internationale Holzbau Symposium aus. Was erhoffen Sie sich von der Veranstaltung?
Es bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, die gesamte Wertschöpfungskette des Holzbaus an einen Tisch zu bringen. Vom Forst über die Sägewerke und holzverarbeitenden Betriebe bis hin zu Architekten, Planerinnen, Investoren und Wissenschaftlerinnen: Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit der Akteure zu stärken. Die Fakten zu Brand- und Schallschutz, zu Kreislauffähigkeit und CO2-Bilanzen liegen auf dem Tisch. Jetzt geht es darum, diese Erkenntnisse in der Praxis zu verankern und eine klare Perspektive für die Zukunft zu entwickeln.

Viele Planende und Bauherren klagen über zu viel Bürokratie. Was muss sich ändern, damit Holzbau in Deutschland wirklich durchstartet?

Die Bürokratie ist oft ein großes Hindernis. Neben Bauauflagen sind es auch zum Beispiel Vorgaben für Schwertransporte, die im Holzbau häufig benötigt werden. Es ist selten eine einzelne Regelung, die den Prozess behindert, sondern die Summe und die Komplexität der Vorschriften, die wie ein gordischer Knoten wirken. Was wir brauchen, ist eine Vereinfachung und Entschlackung der bürokratischen Prozesse. Vor allem sollte die Politik den Unternehmern mehr Vertrauen entgegenbringen. Es darf nicht der Grundgedanke sein, dass jeder Beteiligte von vornherein versucht, Vorschriften zu umgehen.

Was möchten Sie Architekten und Planerinnen mit auf den Weg geben, die über Holzbau nachdenken?

Das Wichtigste ist, offen zu sein für die Möglichkeiten, die Holz bietet. Holz ist nicht schlechter oder besser, es ist anders. Wer sich auf diese Bauweise einlässt und sie versteht, wird schnell die Vorteile erkennen – von der CO2-Bilanz über die Baugeschwindigkeit bis hin zur Gestaltungsfreiheit. Unsere Mission ist erfüllt, wenn Holzbau wie der Massivbau als konventionell gilt.

Über Adrian Blödt

Adrian Blödt ist Geschäftsführer von Blödt Holzkomplettbau, einem spezialisierten Handwerksunternehmen mit rund 15 Mitarbeitenden, sowie Inhaber eines Ingenieurbüros für Bauphysik. Der gelernte Zimmerer ist zudem Diplom Wirtschaftsingenieur (FH) und Master of Science (M.Sc.) in Bauphysik. Seit Kurzem steht er als Präsident an der Spitze des Holzbau Deutschland Instituts, das die Forschung für die im Verband Holzbau Deutschland organisierten Betriebe koordiniert. Neben seiner praktischen Arbeit forscht und lehrt er im Bereich Bauphysik, mit Schwerpunkten auf Wärme-, Feuchte- und Schallschutz.

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