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„Frauen auf dem Bau? Unverzichtbar!“

Stand: Februar 2022
Foto, Barbara Hegedorn, Hagedorn GmbH

Der Fachkräftemangel hat die Baubranche fest im Griff. Und die Lage spitzt sich weiter zu: So geht etwa jeder vierte Baufacharbeiter in den kommenden zehn Jahren in Rente. Gleichzeitig sind Frauen absolute Ausnahmen. Ein Gespräch mit Barbara Hagedorn, Geschäftsführerin der HAGEDORN Unternehmensgruppe, über Vorteile, den dringend notwendigen Imagewandel und erste Erfolgserlebnisse beim Thema „Frauen auf den Bau!“.

Die Hagedorn Gruppe steht vor allem für Abbruch, Revitalisierung, Tiefbau und Entsorgung. Wo ist die Verbindung zum klimaneutralen Bauen?

„Wer klimaneutral bauen will, sollte das nicht auf der grünen Wiese tun. Der Flächenfraß ist aus ökologischer Sicht ein riesiges Problem. Genau da setzen wir an: Ein Teil unserer 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet im Bereich Revitalisierung von Flächen. In den vergangenen Jahren haben wir weit knapp über zwei Millionen Quadratmeter Fläche entsiegelt und Raum für Neues geschaffen. Bestes Beispiel ist das Kohlekraftwerk Gustav Knepper zwischen Castrop-Rauxel und Dortmund, das wir 2019 zurückgebaut haben. Von den insgesamt zu entsorgenden 164.000 Tonnen konnten wir rund 97 Prozent wieder in den Stoffkreislauf zurückführen – damit sind wir zugleich ein wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft.“

Warum bemühen Sie sich, den Frauenanteil in Ihrem Unternehmen auszuweiten?

„Im Bauhauptgewerbe machen derzeit Frauen einen Anteil von nur 15 Prozent aus, wovon der allergrößte Teil in Büros arbeitet. Auf den Baustellen müssen sie schon lange unterwegs sein, bis sie zwischen all den Männern eine Kollegin finden. Das können wir uns in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr leisten, wir müssen umdenken. Gleichzeitig möchten wir zeigen, dass es keinen Job gibt, den eine Frau auf dem Bau nicht machen könnte.“

Wie sieht das konkret bei Ihnen aus?

„Wir haben 2020 unsere „Frau am Bau“-Kampagne gestartet, um junge Frauen gezielt anzusprechen. Halb Gütersloh haben wir plakatiert, dutzende Interviews zu dem Thema gegeben, einen Instagram-Kanal aufgebaut und ein branchenweites Netzwerk mit über 20 Partnern etabliert. Viel Arbeit, die sich für uns gelohnt hat: Zum August 2020 konnten wir erstmals vier junge Frauen für eine Ausbildung zur Baugeräteführerin und Tiefbaufacharbeiterin gewinnen – branchenweit eine echte Seltenheit! Noch wichtiger ist, dass sich alle vier bei uns wohl fühlen und vorankommen. So hat eine Kollegin bereits nach einem Monat einen rund 20 Tonnen schweren Radlader gefahren und ist entsprechend happy. Auch von den männlichen Kollegen höre ich nur Gutes, die kommen super miteinander klar.“

Da war vorher nicht mit zu rechnen?

„So will ich das nicht ausdrücken. Die erwähnte Kampagne richtete sich nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Mit jeder Mitarbeiterzeitung haben wir bereits lange im Vorfeld für das Thema Frauen auf dem Bau sensibilisiert. Kaum eine Geschäftsführerrunde, wo das Gespräch nicht darauf kam. Von daher war allen bewusst, dass die neuen Kolleginnen eine echte Chance für uns sind.

Skeptischer war da schon das Umfeld. Der ein oder andere Geschäftsführer anderer Unternehmen hat unserer Kampagne keine Chance gegeben. Auch viele Eltern machen sich Gedanken, wie ihre Töchter auf den Baustellen klarkommen sollen. Da gibt es – was wenig verwundert – viel Klischeedenken. Kaum jemand weiß, dass beispielsweise moderne Bagger echte Hightech-Arbeitsplätze sind und die Arbeit mit den millionenteuren Maschinen äußerst verantwortungsvoll ist. Andererseits geht es auf den Baustellen natürlich schon anders zu, als im Büro. Man muss anpacken und oftmals in Hotels oder Containerdörfern schlafen. Das muss man schon wollen.“

Könnte die Baubranche ihre Nachwuchssorgen nicht mit höheren Gehältern und besseren Arbeitsbedingungen lösen?

„Da muss ich mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen: Auf dem Bau wird ordentlich gezahlt. So verdienen erfahrene Baggerfahrer bei uns 17 bis 25 Euro pro Stunde – zuzüglich möglicher Sonderzahlungen.

Und was die Arbeitsbedingungen betrifft, haben wir auch eine Menge zu bieten. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter bekommt von uns eine private Krankenzusatzversicherung. Wir beschäftigen einen eigenen Psychotherapeuten und haben eine eigene Akademie mit Coachings zu jedem denkbaren Thema. Immer wichtiger wird auch, eine professionelle Stressprävention anzubieten, gerade in der Corona-Zeit. Da kommen viele nur schwer mit klar. Aber richtig ist auch, dass die Branche an dieser Stelle sicher noch mehr machen kann und muss.“

Was könnte die Politik tun?

„Ich glaube nicht, dass die Politik Maßnahmen angehen kann, um den Anteil von Frauen auf dem Bau zu steigern. Ganz anders sieht das beim Thema Rückbau aus. Quer durch Deutschland gibt es Industriebrachen, die nur auf eine neue Nutzung warten. Zu oft schrecken mögliche Investoren aus Angst vor schwer zu kalkulierenden Risiken wie eine etwaige Bodenkontamination zurück – und versiegeln stattdessen Landschafträume. Hier sollte die Politik beispielsweise über finanzielle Anreize nachdenken, um den Flächenfraß abzumildern.“

Wann sehen wir ebenso viele Frauen wie Männer auf den Baustellen?

„Oh je, da wird noch viel Zeit vergehen. Wo ich mir aber sicher bin: Mittelständler kommen bei dem Thema im Vergleich zu Konzernen deutlich schneller voran. Gerade haben wir 800 Betriebe, darunter sehr viele Handwerksunternehmen angeschrieben und dazu aufgefordert, an unserem Netzwerk WIR.KÖNNEN.BAU teilzunehmen – das Feedback stimmt mich zuversichtlich!“

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