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Tiefe Geothermie

Stand: April 2024
Foto, Bohrturm für tiefe Geothermie

Tiefe Geothermie bezeichnet die Nutzung der Erdwärme ab einer Tiefe von 400 Metern. Sie kann für die Wärmeversorgung von Gebäuden, Quartieren sowie kleinen Städten oder zur Stromerzeugung genutzt werden. Dabei sind auch Kombinationen möglich.

Für tiefe Geothermie sind in der Regel Bohrungen, die wesentlich tiefer als 400 Meter reichen, erforderlich. Bei einem Temperaturgradienten von etwa 3 K / 100 m ist meist eine Bohrung von mehr als 1.000 Metern Tiefe notwendig, um Wärme aus der Tiefe zur Beheizung von Gebäuden nutzen zu können. Um Temperaturen des Thermalwassers zwischen 100 und 180 Grad Celsius zu erzielen, muss 2.000 bis 6.000 Metern tief gebohrt werden.

Durch bestimmte Inhomogenitäten oder Anomalien der Erdkruste kann aber auch in Tiefen von weniger als 1.000 m eine Temperatur von fast 100 °C vorliegen. Diese Regionen befinden sich entlang des Oberrheingrabens, im deutschen Molassebecken, nördlich der Alpen oder dem Norddeutschen Becken. Bekannt sind solche Vorkommen seit langer Zeit als heiße Thermalquellen, deren heißes Tiefenwasser in Thermalbädern balneologisch genutzt wird.

Nutzung der Erdwärme des tieferen Untergrunds

Für die Erschließung der tiefen Geothermie sind in der Regel mindestens zwei Bohrungen notwendig: eine Förder- und eine Injektionsbohrung. Für die reine Wärmebereitstellung sollte die Temperatur des Wassers bei mehr als 40 °C, für die Einspeisung in Fernwärmenetze bei über 80 °C und für eine wirtschaftliche Stromerzeugung bei mehr als 120 °C liegen. Darüber hinaus muss jede Bohrung oder das gesamte System, bestehend aus mehreren Bohrungen, eine ausreichende Fließrate aufweisen. Häufig wird auch von der Förderrate gesprochen, die die förderbare Wassermenge angibt. Der Kreislauf des Tiefenwassers wird über Tage geschlossen. Üblicherweise wird die Energie mit einem Wärmetauscher an den jeweiligen Abnehmer weitergegeben und das abgekühlte Wasser über die Injektionsbohrung in die Lagerstätte zurückgeführt.

Die tiefe Geothermie kann für die Wärmeversorgung von Wohn und Nichtwohngebäuden, für die Einspeisung in Wärmenetze oder beispielsweise zum Antrieb von Absorptionskältemaschinen zur Kühlung von Gebäuden verwendet werden. Auch ein Ausbau von Wärmenetzen auf niedrigem Temperaturniveau ist sinnvoll. Wenn elektrischer Strom erzeugt werden soll, kommen meist Organic-Rankine-Cycle-(ORC)-Anlagen zum Einsatz. Diese sind von der Funktionsweise dem herkömmlichen Wasserdampfkraftwerk ähnlich. Das ORC-Verfahren ist ein thermodynamischer Kreisprozess, bei dem das Arbeitsmittel eine organische Flüssigkeit mit niedriger Verdampfungstemperatur ist. Ein weiteres Verfahren ist das sogenannte Kalina-Verfahren, bei dem ein Ammoniak Wasser Gemisch als Arbeitsmedium verwendet wird. Dieses wird in Deutschland allerdings nur in wenigen Anlagen eingesetzt.

Die Nutzung der Erdwärme des tieferen Untergrunds erfolgt meist mittels offener Systeme. Diese erschließen bestimmte Bereiche im tieferen Untergrund, die nicht mit Rohren oder ähnlichem abgeschlossen sind. Sie umfassen zwei Arten: hydrothermale und petrothermale Geothermie. Als Sonderfall ist auch die Verwendung einer tiefen Erdwärmesonde als geschlossenes System möglich.

Hydrothermaler Geothermie bezeichnet die Nutzung der Wärme eines vorhandenen Tiefenwassers. Petrothermaler Geothermie kann hingegen auch zum Einsatz kommen, wenn kein Thermalwasser vorhanden ist. Dabei wird die Wärme des Gesteins im tieferen Untergrund mithilfe eines Wärmeträgermediums, in der Regel Wasser, genutzt. Dieses zirkuliert durch natürliche oder künstliche Porositäten.

Detailliertere Informationen zu den beiden Verfahren der hydrothermalen und petrothermalen Geothermie werden im Folgenden erläutert:

Speicherung von Wärme im tiefen Untergrund

Mittels tiefer Geothermie ist auch die Speicherung von Wärme auf einem Temperaturniveau von über 100 °C möglich. Neben Aquiferen kommen dafür beispielsweise ausgeförderte Gas- oder Erdöllagerstätten, die meist günstige Porositäten oder Permeabilitäten aufweisen, als Reservoir in Frage. Der Wirkungsgrad solcher Untergrundspeicher kann über die Jahre zunehmen. Anfangs können 70 Prozent der eingespeicherten Wärme wieder entnommen werden, nach dem 10. Zyklus mehr als 80 Prozent. Untergrundspeicher können als thermische Batterie betrachtet werden. Sie sind an viele Orten einsetzbar und liegen deutlich unterhalb der für die Trinkwassergewinnung verwendeten Horizonte, also Schichten mit Trinkwasseraufkommen.

Informationen zum möglichen Potenzial tiefer Geothermie

Das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarte Ziel ist, bis 2030 die Hälfte der kommunalen Wärme aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Eine gemeinsame Roadmap von sechs Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft verdeutlicht, dass mehr als ein Viertel des jährlichen deutschen Wärmebedarfs (über 300 TWh) durch tiefe Geothermie gedeckt werden kann. In vielen urbanen Räumen sind die Potenziale im Untergrund vorhanden. Bisher liegt der Fokus auf den hydrothermalen Reservoiren, also Aquiferen oder Thermalwasser führenden Schichten in Tiefen von 400 bis 5000 Metern. Aus solchen Reservoiren können geothermale Wässer im Temperaturbereich zwischen 15 °C und 180 °C gefördert werden. Diese Temperaturen eignen sich zur Beheizung von Gebäuden, für Nah- und Fernwärme sowie für industrielle Prozesse.

Diese Konzepte kommen bereits in zahlreichen europäischen Städten zur Anwendung, allerdings sind sie aus technischen beziehungsweise wirtschaftlichen Gründen noch nicht in allen Regionen Deutschlands nutzbar. Die Bestimmung des Potentials der tiefen Geothermie in den jeweiligen Gebieten erfolgt durch seismische Erkundungsmethoden und eine 3D-Modellierung. Für eine belastbare Prognose sind die lokale Geologie, die chemischen und physikalischen Fluideigenschaften sowie die mechanisch-hydraulischen Gebirgseigenschaften die relevanten Parameter.

Im Februar 2023 waren in Deutschland insgesamt 42 Anlagen zur Strom- und/oder Wärmeerzeugung in Betrieb. Eine Stromerzeugung aus Geothermie wird in 12 Anlagen, die sich vorwiegend in Süddeutschland befinden, mit einer installierten Leistung von 46 MW realisiert. Im Jahr 2020 erzeugten diese Anlagen 250 Mio. kWh Strom. Im Februar 2023 betrug die installierte Wärmeleistung aus tiefer Geothermie 417 MW. Im Jahr 2022 stammten 200,5 TWh Wärme und Kälte aus erneuerbaren Quellen, zu 84,2 Prozent aus Biomasse und zu 0,8 Prozent aus tiefer Geothermie. Die tiefe Geothermie lieferte 2022 etwa 1,6 TWh Wärme.

Studien & Berichte

Roadmap Tiefe Geothermie für Deutschland

Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft für eine erfolgreiche Wärmewende Fraunhofer Cluster of Excellence "Integrierte Energiesysteme" (Fraunhofer CINES)

Stand: Februar 2022

PDF 16,7 MB

Risiken

Für Projekte im Bereich der tiefen Geothermie sind die rechtlichen, politischen und finanziellen Rahmenbedingungen wesentlich. Die Finanzierung ist entscheidend für die Umsetzung eines Projekts. Darüber hinaus stellen Risiken wie beispielsweise das Bohrrisiko, das Fündigkeitsrisiko, das Betriebs- und Umwelthaftpflichtrisiko und ihre Absicherung erhebliche Anforderungen an die Beteiligten dar.

Ein weiteres Risiko ist induzierte Seismizität, d.h. das Auslösen von Erschütterungen oder kleinen Erdbeben, die an der Oberfläche wahrnehmbar sind. Im Wesentlichen resultieren mögliche Seismizitäten aus dem Fracking, wenn also künstliche Porositäten im tieferen Untergrund geschaffen werden. Diese Seismizitäten liegen allerdings eher in Größenordnungen, die beispielsweise mit dem Vorbeifahren schwerer LKWs an der Oberfläche erzeugt werden. Seismizitäten resultierend aus der Entnahme von Wasser aus dem tieferen Untergrund sind dagegen vernachlässigbar, da die Tiefenwässer im Kreislauf geführt werden.

Wirtschaftlichkeit der tiefen Geothermie

Auf Grund der hohen Temperaturen können tiefe geothermische Systeme ja nach Standort mit 1 kWh Strom 20 bis 50 kWh Wärme liefern. Die Jahresarbeitszahl liegt also auch bei 20 bis 50. Für den wirtschaftlichen Betrieb eines tiefen geothermischen Systems ist neben der Temperatur der Lagerstätte die Förderrate entscheidend. Diese ist wiederum von der hydraulischen Leitfähigkeit oder der Permeabilität der Lagerstätte abhängig. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen wird oft eine Förderrate von 100 kg/s pro Förderbohrung genannt.

Weiterführende Informationen

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