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Strohballenhaus Weimar

In Weimar entstand ein zweigeschossiges lasttragendes Strohballenhaus für zwei Familien. Die zukunftsweisende nachhaltige Bauweise sorgt für hohen Wohnkomfort und eine optimale Ökobilanz.

Foto, das neu gebaute Strohballenhaus mit Laubengang.
Foto, Strohballenhaus Giebelseite mit Holzverkleidung

Projekt

Im sogenannten Ziegelhof in Weimar fanden sich fünf Familien zusammen, um auf einem 2.800 m2 großen Grundstück in vier Häusern gemeinsam zu bauen und zu leben. Eines der Häuser, ein schadstoffbelastetes Leerstandsgebäude, ersetzte das ökologisch orientierte Wohnprojekt im Rahmen eines Neubaus durch ein zukunftsorientiertes nachhaltiges Bauwerk: ein kompostierbares zweigeschossiges lasttragendes Strohballenhaus für zwei Familien.

Dabei bilden die lastabtragenden Strohballen die dämmende Außenhülle des Gebäudes, über der sich ein sogenanntes Kaltdach erhebt, eine durchlüftete Ebene unter der eigentlichen Dachhaut. Das heißt, die Dämmung ist nicht in der Dachkonstruktion integriert. Durch diese Pufferzone, die auch den Keller ersetzt, lassen sich aufgrund der Konvektion im Lufthohlraum direkte Hitze im Sommer und Kälte im Winter konsequent verhindern. Aufgrund der Ausrichtung einer großflächig verglasten Längsseite des Hauses nach Süden wird das Prinzip der passiven Sonnennutzung angewandt, das heißt, die Wärmestrahlung der Sonne wird für die Temperaturregelung des Gebäudes genutzt.

Die verwendeten massiven Materialien Lehm, Stein, Ton (auch für massive innere Bauteile) ermöglichen das effektive Speichern von Temperaturen, im Winter werden sie durch die tiefstehende Sonne aufgeheizt. Ein Grundofen ist in der Lage, das gesamte Gebäude zu heizen, weitere Heiztechnik ist nicht nötig. Die Fassade wird vor der Witterung geschützt durch einen Dachüberhang und einen Laubengang im ersten Stock, der außerdem für die vertikale und die horizontale Erschließung des Gebäudes, also einen Zugang auf allen Ebenen, sorgt. Strom erzeugt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach – sie heizt auch das Brauchwasser auf.

  • 65% Erneuerbare Energien
  • Baustoffe
  • Neubau
  • Wohngebäude

Bautafel:

BAUVOLUMEN
2.800 m² Nutzfläche

BAUZEIT
2017-2018

BAUKOSTEN
438.000 Euro (KG 300/400)

ENERGETISCHER ZUSTAND
KFW 55 (mittlerer U-Wert Neubau gesamt 0,08 W/m²K)

VERWENDETE MATERIALIEN
Stroh: lasttragende Ballen, übereinandergeschichtet
Einputzung innen: Lehmschicht (Dicke: 4 cm)
Einputzung außen: Kalk
Holz (Fensterrahmen u. a.)
Recyclingbaustoffe

VERWENDETE GEBÄUDETECHNIK
Heizung:  Passive Sonnennutzung + Grundofen
Strom: Photovoltaikanlage auf dem Dach

TECHNISCHE DATEN STROH
Maße Jumbostrohballen: 2,4 m x 1,2 m x 0,7 m (B/T/H)
Gewicht Jumbostrohballen (mit hohem Druck gepresst): 350–500 kg
Strohbedarf: 100–150 Ballen für ein 2-Familienhaus
Rohdichte: 200 kg/m³
Wärmeleitfähigkeit: λ 0,087 W/mK
Wärmekapazität: c2,0 kJ/kgK
Wasserdampfwiderstandszahl: μ2
Belastbarkeit (Zulassung):10 KN/m²
Primärenergiegehalt: 0,20 MJ/m³
Baustoffklasse Brandverhalten: B2
Feuerwiderstandsklasse: F-90 

Herausforderungen

Moderne Niedrigenergiehäuser sind eine gute Sache, aber auch in ihnen steckt viel graue Energie – etwa aufgrund des Energieverbrauchs bei der Gewinnung der Rohstoffe, bei der Herstellung und dem Transport der Baumaterialien. Das Strohhaus auf dem Gelände Ziegelhof in Weimar ersetzt einen ehemaligen Schafstall, der einst zu Wohnungen umgebaut worden war, danach jahrelang leer gestanden hatte und aufgrund der schadstoffbelasteten Bausubstanz zurückgebaut werden musste. Tonnen von Sondermüll wurden kostenintensiv entsorgt. Auf der Suche nach umweltschonenden Baustoffen und Bauweisen für den Neubau wurde auf das vor mehr als 100 Jahren erstmals in Nebraska (USA) realisierte Strohballenverfahren zurückgegriffen.

Es ist längst auch in europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien, Österreich und der Schweiz etabliert. Während man dort jedoch Strohballenhäuser ohne großen bürokratischen Aufwand errichten kann, braucht man in Deutschland – das war die nächste Herausforderung – eine Einzelfallgenehmigung. Mehr Vorlaufzeit in der Planung war nötig. Die Einzelfallgenehmigung wurde den Bauherren in Weimar schließlich im Jahr 2017 erteilt, und zwar für ein reines lastabtragendes Strohballenhaus mit zwei Geschossen.

Ziele & Erfolge

Mit dem Strohballenbau sollte neben einer hervorragenden Wohn- und Lebensqualität auch eine konkurrenzlose nachhaltige Architektur geschaffen werden, die den Bauherren, der Umwelt und nachfolgenden Generationen zu einem gesunden Leben verhilft. Darüber hinaus wurde beim Entwurf des Grundrisses auf Flexibilität und Wandelbarkeit geachtet, das heißt: Wo heute eine Familie mit drei Kindern auf 130 m2 Fläche wohnt, können in einigen Jahren nach Auszug der Kinder mühelos zwei Wohnungen à 60 m2 entstehen.

Den Nachteil der großen Wandstärken, die zu mehr Außenmaß führen, wiegen der hohe Wohnkomfort, die optimale Ökobilanz und hervorragende bauphysikalische Eigenschaften auf. Stroh ist in großen Mengen meist regional verfügbar, wodurch lange Transportwege entfallen. Durch die hochwärmedämmende Bauweise lässt sich der Heizwärmebedarf massiv reduzieren – die Heizperiode in einem lastabtragenden Strohballenhaus beginnt deutlich später im Jahr und hört auch früher wieder auf. Durch die massive Bauweise ergeben sich außerdem sehr gute Schalldämmwerte.

Mit Stroh ist ein niedriger Primärenergiegehalt verbunden, da zur Herstellung etwa 100-mal weniger Energie als bei der Herstellung von Mineralwolle oder geschäumten Dämmstoffen benötigt wird. Die herausragende Umweltfreundlichkeit der Bauweise ist nicht nur durch die nachwachsenden Rohstoffe (Lehm, Stroh, Holz etc.) gegeben, sondern auch durch die 100-prozentige Recyclebarkeit beziehungsweise Kompostierbarkeit. Darüber hinaus sind Strohhäuser – entgegen der landläufigen Meinung – sehr feuerbeständig. Die andernorts vor mehr als 100 Jahren gebauten Strohballenhäuser werden auch heute noch genutzt.

Auszeichnungen

  • Architekturpreis 2022 der Architektenkammer Thüringen: Anerkennung
  • Das goldene Haus 2019 „Preiswert Bauen“: Sonderpreis

 

Das Projekt hat großes Aufsehen erregt und zu breitem Interesse am Strohballenbau in Deutschland geführt.

Kontakt & Akteure

Logo, Z-Architektur
Ihr persönlicher Kontakt

Florian Hoppe


Ziegelhof Architektur

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Foto, Nahaufnahme von mehreren Stecknadeln in einer Pinwand, die mit Bindfäden untereinander verbunden sind.
Akteure

BAUHERR / EIGENTÜMER Familie Hoppe und Familie Schenker-Primus, Weimar

PLANUNGSBÜRO  Z Architektur GbR, Weimar

OBJEKTÜBERWACHUNG   Dipl. Ing. Florian Hoppe