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„Gelegenheitsfenster für Entsiegelung und Klimaanpassung nutzen“

Foto, Christopher Barron

Christopher Barron ist Freiraumplaner bei der Stadt Mannheim. Im Interview spricht er über die Rolle entsiegelter Flächen für klimaresiliente Quartiere, zeigt konkrete Lösungsansätze aus der kommunalen Praxis auf und erläutert, wie Städte das Thema Entsiegelung langfristig in ihre Planungsprozesse integrieren können – auch unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen.

Welche spezifischen Funktionen können entsiegelte Flächen im Rahmen klimaresilienter Quartiersentwicklung übernehmen und wie lassen sich diese Potenziale gezielt aktivieren?

In Mannheim steht die Schwammstadt-Strategie im Fokus der Entsiegelung mit dem Ziel den Wasserrückhalt im urbanen Raum zu steigern. Hintergrund ist die zunehmende Überhitzung der Stadt, wie die Stadtklimaanalyse Mannheim aus dem Jahr 2020 eindrücklich aufzeigt. Entsiegelte Flächen ermöglichen die Versickerung und temporäre Speicherung von Regenwasser und fördern so die Verdunstungskühlung in Hitzeperioden. Damit tragen sie wesentlich zur lokalen Klimaregulation und zur Resilienz gegenüber Extremwetterereignissen bei. Um diese Potenziale wirksam zu aktivieren ist eine individuelle und interdisziplinäre Betrachtung entscheidend: jede Fläche sollte hinsichtlich ihrer ökologischen aber auch sozialen Funktionen analysiert werden. Fachübergreifende Kooperationen zwischen Stadt- und Freiraumplanung, Wasserwirtschaft, Boden- und Naturschutz sowie Hoch- und Tiefbau sind dabei zentral.

Was sind typische Herausforderungen bei der Umsetzung von Entsiegelungsmaßnahmen im städtischen Raum und welche Wege haben sich in der Praxis bewährt, um diese zu überwinden?

Im öffentlichen Raum stellten die hohe Flächenkonkurrenz und enge Straßenräume eine zentrale Herausforderung für Entsiegelung dar. Im Untergrund erschweren Leitungstrassen oder Altlasten auf potenziellen Entsiegelungsflächen die Umsetzung und können zu hohen Ausführungskosten führen. Eine vielversprechende Lösung stellt daher die sogenannte funktionale Entsiegelung dar: im Gegensatz zur klassischen Voll- oder Teilentsiegelung erzielt diese eine vergleichbare positive Wirkung ohne eine Fläche tatsächlich zu entsiegeln. Beispiele hierfür sind die Optimierung des durchwurzelbaren Bodens, die intelligente Bewässerung von Stadtvegetation oder Dach- und Fassadenbegrünungen.

Die zweite große Herausforderung ist die kommunale Finanzierung von Entsiegelungsmaßnahmen. Die Stadt Mannheim begegnet dieser Herausforderung aktiv: Sie akquiriert Fördermittel von Landes- und Bundesebene und ergänzt diese gezielte durch Mittel aus einem städtischen „Klimafonds“, um Entsiegelungsprojekte co-finanzieren zu können.

Besonders herausfordernd ist der hohe Anteil privater Flächen – rund 90 Prozent der Entsiegelungspotenziale in Mannheim befinden sich in Privateigentum. Ohne das Engagement der Eigentümer*innen blieben viele dieser Potenziale ungenutzt. Um diese Akteure zu aktivieren bietet die Klimaschutzagentur umfassende Informations-, Beratungs- und Förderangebote an. Ein weiterer erfolgversprechender Ansatz ist der 2021 ins Leben gerufene Local Green Deal. Dieser fördert die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Bürgerschaft, Wirtschaft und Wissenschaft mit dem Ziel, gemeinsam ein grünes, sauberes und gesundes Mannheim zu gestalten. Begrünung und Entsiegelung sind hierbei ein wesentlicher Baustein.

Wie können Kommunen Entsiegelung und freiraumbezogene Klimaanpassung langfristig in ihren Planungsprozessen verankern, über Einzelmaßnahmen hinaus?

Zwei zentrale Hebel sind hierfür entscheidend: erstens muss das Thema Entsiegelung und dessen Notwendigkeit in Kommunen systematisch und breit gestreut verankert werden. Klimawandelanpassungskonzepte bieten hierfür eine gute Grundlage. In Mannheim führt die Beschlussfassung zum Entsiegelungskonzept dazu, dass künftige Planungen mit den identifizierten Entsiegelungspotenzialen auf Synergien / Optimierungen hin geprüft werden. Denkbar sind weiterhin auch aus einem Entsiegelungskonzept abgeleitete Vorgaben die eine Art „Regelkatalog“ für die Kommune bilden und dadurch in formellen Planungsinstrumenten aufgegriffen werden. Die Pflanzung eines großkronigen Laubbaums zwischen jedem 5. neu errichtetem Stellplatz wäre ein Beispiel hierfür.

Zweitens stellen sogenannte „Gelegenheitsfenster“ einen vielversprechenden Ansatz dar. In Zeiten angespannter kommunaler Haushalte sind groß angelegte Entsiegelungsmaßnahmen – möglicherweise mit umfangreichen freiraumplanerischen Wettbewerben – nicht mehr die Regel. Dennoch finden weiterhin Baustellen und Aufbrüche im öffentlichen Raum statt, z.B. im Rahmen von Straßensanierungen oder Infrastrukturmaßnahmen. Diese zeitlichen „Gelegenheitsfenster“ lassen sich nutzen um parallel Flächen zu entsiegeln oder durch eine funktionale Entsiegelung die klimaangepasste Wirkung des Bestands zu erhöhen. Voraussetzung ist ein frühzeitiger Austausch zwischen den zuständigen Dienststellen, um solche Chancen zu erkennen und effektiv zu nutzen. 

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