Projekt
Das Energiekonzept der Gemeinde Bosbüll in Schleswig-Holstein zeigt, wie Strom aus Wind- und Solarparks, der nicht über das Stromnetz abtransportiert werden konnte, effizient genutzt wird. Statt das Netz zu überlasten und zu Abregelungen zu führen, sichert diese „überschüssige“ Energie die Mobilität und wärmt Häuser.
Trotz vorhandener Wind- und Solarparks konnte die Gemeinde die überschüssige Energie lange nicht nutzen. Die dafür nötigen Speicher- und Leitungskapazitäten fehlten. Ein typisches Problem bei der regenerativen Energieerzeugung. Die Gemeinde ist aktiv geworden und verfügt inzwischen über ein Nahwärmenetz, das mit dem Wasserstoff-Mobilitätskonzept eFarm (Power-to-Gas) verbunden ist. Die Power-to-Gas-Anlage produziert Wasserstoff für ein überregionales Wasserstoff-Mobilitätsprojekt. Der Clou dabei: Die Abwärme der Elektrolyseure, die bei der Herstellung von Wasserstoff aus grünem Strom entsteht, wird in das Nahwärmenetz eingespeist. Die Kombination aus Abwärmenutzung aus der Elektrolyse und einer Power-to-Heat-Lösung gewährleistet über drei Luft-Wärmepumpen und einen Heizstab die Wärmeversorgung durch das Fernwärmenetz der eigens gegründeten Bosbüll Energie GmbH.
Die kleine Gemeinde im Norden Deutschlands verbindet also erneuerbare Energien, Wasserstoff-Technologie, die Nutzung der Abwärme und Power-to-heat für ihre Nahwärme. 25 Haushalte und ein großer landwirtschaftlicher Betrieb können so mit über 1.100 MWhth beheizt werden. Das dafür nötige knapp 2.680 Meter lange Verteilernetz beginnt an der Heizzentrale, die neben der eFarm und dem landwirtschaftlichen Betrieb angesiedelt ist.
- 65% Erneuerbare Energien
- Neubau
- Quartier
Bautafel:
BAUZEIT
05/2019 – 06/2020
ERRICHTUNGSKOSTEN
Die gesamten Errichtungskosten belaufen sich auf rund 1,8 Mio. Euro
VERWENDETE TECHNIK
Power-to-Heat-Lösung
Power-to-Gas-Anlage
Wärmeauskopplung aus der Elektrolyse
Herausforderungen
Heute gilt Bosbüll zwar als Leuchtturm-Projekt, doch gab es Herausforderungen auf dem Weg.
Denn nachdem die Vision des nachhaltigen, zukunftsorientierten Konzeptes entwickelt war, musste zunächst die Gemeindevertretung überzeugt werden. Dann galt es passende Partner (Projektentwickler, Windpark, Planer und Finanzierer) und ein Förderprogramm zu finden und das Projekt so zu entwickeln, dass es sowohl in die Förderlandschaft als auch zu den schwierigen Regelungen des Strommarktes, den gesetzlichen Regelungen der Abgabenpflichten (EEG-Umlage, Netzentgelte) und der Kommunalverfassung passte.
Auch die Antragsstellung selbst war sehr aufwendig. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) benötigte beispielsweise eine Gesellschafterstruktur, die es sowohl ermöglichte von der Bundesbehörde überhaupt akzeptiert und gefördert zu werden als auch für geringe Entgelte Strom zu verkaufen. So wurden eigens die Bosbüll Energie GmbH und die Wärmenetz Bosbüll GbR gegründet. Dennoch musste ein Vertrag mehrfach geändert werden, bis er endlich passte.
Wärmeabnehmer zu akquirieren, für die die Bosbüller Preise attraktiv waren, war ebenfalls nicht einfach. Schließlich musste Bosbüll mit den relativ niedrigen Marktpreisen für Energie in den Jahren 2020-21 konkurrieren.
Ziele & Erfolge
Die privaten Haushalte sparen jährlich etwa 80.000 Liter Heizöl ein und der Mastbetrieb etwa 80.000 Euro.
Zwei Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM) Elektrolyseure produzieren in Bosbüll täglich etwa 200 kg Wasserstoff aus Solar- und Windstrom. Der energetische Nutzungsgrad erhöht sich durch die Nutzung der bei der Wasserstoff-Produktion entstehenden Abwärme auf ca. 95 Prozent. Die gesamte CO2-Minderung liegt bei 760 Tonnen CO2 pro Jahr (bei 25 Haushalten und einem landwirtschaftlichen Betrieb).
Das nachhaltige und autarke Energiekonzept stößt auf breites Interesse: Die Gemeinde hat ihr Projekt unter anderem auf der Deutsch-Japanischen Energiekonferenz in Berlin, auf der Grünen Woche in Berlin, der Konferenz des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStG) "Kommunen aktiv für den Klimaschutz“ in Bonn und anderen landes- und bundesweiten Veranstaltungen vorgestellt.
Auszeichnungen
Das Energiekonzept, das eine nachhaltige Nahwärmeversorgung gewährleistet, überzeugte: 2021 hat Bosbüll in der Disziplin „EnergieKonzept“ bei der Energieolympiade Schleswig-Holstein gewonnen und damit 10.000 Euro Preisgeld für die Gemeinde. Die Gesellschaft für Energie und Klimaschutz GmbH (EKSH) zeichnet mit der Energie-Olympiade seit 2007 vorbildliche Energieprojekte von Kommunen in Schleswig-Holstein aus.