Netzgebundene Klimatisierung von Gebäuden
Stand: Juni 2025
Klimatisierung im Quartier bedeutet zuerst die Vermeidung von Hitzeinseln im Sommer. Straßenräume mit einer guten Luftzirkulation, die durch Verschattung und Verdunstung entsteht, haben nicht nur Einfluss auf das Wohlbefinden im Außenraum. So hängt auch der Kühlbedarf der Gebäude davon ab.
In Quartieren mit einem hohen Kühlbedarf, kann eine netzgebundene Klimatisierung der Gebäude über ein kaltes Nahwärmenetz oder über ein Kältenetz umgesetzt werden.
Kalte Nahwärmenetze
Kalte Nahwärmenetze nutzen oft mehrere lokal vorhandene Wärmequellen niedriger Temperatur wie oberflächennahe Geothermie oder Grundwasser. Die Wärme wird von dem in dem Wärmenetz zirkulierenden Wärmeträger – in der Regel Sole – aufgenommen und stellt mit Hilfe von dezentralen Sole-Wasser-Wärmepumpen in den Gebäuden Raumwärme und Trinkwarmwasser bereit. Anders als klassische Wärmenetze können die meisten kalten Nahwärmenetze auf Grund ihres geringen Temperaturniveaus im Sommer auch zur Kühlung von Gebäuden genutzt werden. Die Kühlung kann dabei aktiv oder passiv umgesetzt werden. Ob sich ein kaltes Nahwärmenetz zur passiven Kühlung eignet, hängt von den Temperaturen im Netz und den gewünschten Vorlauftemperaturen in den Gebäuden ab.
Definition aktive und passive Kühlung mit Wärmepumpen
Bei der aktiven Kühlung wird dem Raum über einen Umkehrprozess des Wärmepumpenkreislaufs Wärme entzogen und nach außen abgeführt. Wie bei der Bereitstellung von Wärme benötigt die Wärmepumpe dafür Strom.
Bei passiver Kühlung wird unter geringem Stromeinsatz das vorhandene Temperaturniveau der jeweiligen Wärmequelle verwendet, um den Kältebedarf für die Raumklimatisierung zu decken. Die Temperatur muss nicht mit Hilfe von Strom aktiv heruntergekühlt werden.
Best Practices für kalte Nahwärmenetze

Ein Beispiel für passive Kühlung ist das Quartier „Lagarde Campus“ in Bamberg, in dem das kalte Nahwärmenetz über Erd- und Abwasserwärme betrieben wird. Die niedrigen Netztemperaturen ermöglichen eine passive Kühlung der angeschlossenen Gebäude. Im Sommer können die Räume über die wassergeführte Fußbodenheizung gekühlt werden. Dabei nimmt die Fußbodenheizung als Wärmeüberträger Raumwärme auf und führt sie über das Wärmenetz durch die Erdsonden und Erdkollektoren wieder in die Erde ab. Durch die saisonale Umkehrung des Prozesses wird sichergestellt, dass sich die Bodentemperatur regenerieren kann und wieder bereit ist für die Wärmeabgabe im Winter.
Auch die Gemeinde Königsmoos hat für die beiden Neubaugebiete Bitterwolf und Kirchfeld mit insgesamt über 70 Einfamilienhäusern ein nahezu klimaneutrales Energiekonzept umgesetzt. Mit der Kombination von Erdwärme, dezentralen PV-Anlagen und Sole-Wasser-Wärmepumpen, eingebunden in ein kaltes Nahwärmenetz, wird ein Anteil von über 75 Prozent erneuerbarer Energien für die Energieversorgung erreicht.
Kältenetze
Analog zu einem Wärmenetz versorgt ein Kältenetz mehrere Verbraucher mit Kaltwasser zur Raumkühlung. Eine zentrale Kälteanlage kühlt das Wasser ab. Danach wird es über das meist im Erdreich verlegte Netz an die angeschlossenen Gebäude verteilt, die die Kälte über eine Übergabestation an die einzelnen Abnehmer weiterleitet. Bei der Durchleitung durch die Gebäude nimmt das Wasser Raumwärme auf, das dann zur Kältezentrale zurückgeführt und wiederum auf die gewünschte Temperatur abgekühlt wird.
Best Practices für Kältenetze
Exkurs: Das größte Kältenetz Deutschlands
Das bisher größte Kältenetz Deutschlands mit 14 km Leitungen befindet sich unter dem Potsdamer Platz in Berlin. Mittels dieses Kältenetzes wird ein Quartier mit 12.000 Büros, 1.000 Wohnungen, zahlreichen Kultureinrichtungen und Hotels – eine Bruttogeschossfläche von mehr als einer Million Quadratmeter – seit 1997 effizient klimatisiert.
Die Kältezentrale ist das Herzstück der Anlage. Beim Verlassen der Kältezentrale beträgt das Temperaturniveau im Kältenetz im Vorlauf 6°C, nach Aufnahme der Raumwärme hat sich die Temperatur des Rücklaufs auf circa 12 °C erhöht. Kälte wird bei diesem relativ geringen Temperaturdelta effizient entweder über Absorptionskältemaschinen erzeugt, die die anliegende Fernwärme nutzen oder durch Kompressionsanlagen, die Strom zur Kälteerzeugung nutzen. Je nach Verfügbarkeit von Primärenergie und Nachfrage im Fernwärmenetz wird die effizientere Methode smart gesteuert.
Aktuell wird die bei der Kälteerzeugung anfallende Abwärme im Quartier am Potsdamer Platz über Kühltürme in die Umwelt abgegeben. In einem Forschungsprojekt soll nun auch die in der Kältezentrale anfallende Abwärme für die Fernwärme genutzt werden. Dafür wird eine Hochtemperaturwärmepumpe eingesetzt, die das Temperaturniveau des Rücklaufs auf 80-120 °C hebt, um es dann bedarfsgerecht in das örtliche Fernwärmenetz einzuspeisen. Damit können im Sommer Haushalte mit Warmwasser versorgt werden und im Winter mit Wärme.