Mythen und Fakten zum Thema Wirtschaftlichkeit
Stand: September 2025
Energetische Sanierungen gelten vielfach als teuer oder schwer umsetzbar. Zwei Mythen prägen die Debatte besonders: Zum einen, dass Investitionen nur bei hohen Energiepreisen wirtschaftlich seien. Zum anderen, dass die Wärmewende am Fachkräftemangel scheitere.
Beide Annahmen sind verkürzt. Der Blick auf Daten und Praxis zeigt: Effizienzmaßnahmen rechnen sich auch unter heutigen Rahmenbedingungen. Und Engpässe auf dem Arbeitsmarkt sind zwar real, doch es gibt vielfältige Lösungsansätze.
Mythos 1: Nur hohe Energiepreise machen Sanierungen wirtschaftlich
Eine energetische Modernisierung senkt den Energiebedarf, verringert die Abhängigkeit von schwankenden Energiepreisen und steigert Komfort sowie Gebäudewert. In Kombination mit erneuerbaren Energien erhöht sie zudem die Versorgungssicherheit und reduziert Emissionen dauerhaft. Eigentümerinnen und Eigentümer kommen zudem künftigen gesetzlichen Vorgaben zuvor und gewinnen Planungssicherheit.
Sanierungen lohnen sich in der Regel auch bei den im Jahr 2025 üblichen Preisen für Gas, Heizöl, Pellets, Strom und Fernwärme. Wer Investitionen aufschiebt, zahlt langfristig deutlich mehr. Frühzeitige Maßnahmen sparen nicht nur Kosten, sondern verbessern sofort die Wohnqualität. Gut ausgeführte Dämmungen, moderne Fenster und Türen oder effiziente Anlagentechnik leisten über Jahrzehnte ihren Dienst. Schon heute fördert der Staat Umfeldmaßnahmen wie Instandsetzungen oder Nebenkosten, die ohnehin anfallen.
Ein zentraler Vorteil: Die Heizkosten energieeffizienter Gebäude bleiben stabiler. Während weniger effiziente Gebäude von Preissteigerungen stark betroffen sind, lassen sich die Lebenszykluskosten effizienter Häuser besser kalkulieren. Zusätzlich steigen die Kosten für fossile Energien durch Netzentgelte, CO2-Preise und politische Risiken. Schon 2025 macht der CO2-Preis rund einen Cent pro Kilowattstunde Gas aus, ab 2027 wird er EU-weit im Emissionshandel festgelegt und jährlich verknappt.
Wer energetisch modernisiert, schützt sich nicht nur vor hohen Energiepreisen, sondern erhält und steigert auch den Wert des Gebäudes. Die Energieeffizienz ist heute ein zentraler Faktor bei der Bewertung von Immobilien. Eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft Kiel zeigt Preisunterschiede von rund 650 Euro pro Quadratmeter zwischen den besten und den mittleren Effizienzklassen. Andere Auswertungen sprechen von bis zu 30 Prozent Differenz. Für Eigentümerinnen und Eigentümer kann das mehrere zehntausend Euro Unterschied ausmachen.
Beispielrechnung für ein Einfamilienhaus
Ein Einfamilienhaus von 1962 mit 135 m2 Wohnfläche verdeutlicht den Effekt.
- Wohnhaus 1: Dach gedämmt, Gasheizung. Heizenergiebedarf: Rund 19.100 kWh pro Jahr. Heizkosten im ersten Jahr: Rund 3.800 Euro.
- Wohnhaus 2 (EH 70): umfassend saniert mit neuen Fenstern, wärmegedämmter Haustür, Fassaden- und Kellerdämmung, Lüftung mit Wärmerückgewinnung und Wärmepumpe. Heizenergiebedarf: Rund 4.600 kWh pro Jahr. Heizkosten im ersten Jahr: Rund 900 Euro.
Die Differenz im ersten Jahr: rund 2.900 Euro. Nach 10 Jahren beträgt die Kostendifferenz bereits über 33.000 Euro, nach 20 Jahren fast 78.000 Euro. Zusätzlich steigen Baupreise über die Jahre. Wer erst 2045 auf eine neue Heiztechnologie umsteigt, muss nicht nur höhere Baukosten tragen, sondern hat zuvor auch Jahrzehnte höhere Betriebskosten bezahlt.
Förderprogramme verstärken die Wirtschaftlichkeit: Im Beispiel wurden rund 31.000 Euro über Zuschüsse und steuerliche Förderung abgedeckt. Die verbleibenden Eigenkosten von rund 74.000 Euro amortisieren sich über eingesparte Energiekosten deutlich. Über 30 Jahre summiert sich der wirtschaftliche Vorteil auf mehr als 60.000 Euro. Je nach Maßnahme decken Förderprogramme zwischen 20 und 55 Prozent der Kosten ab.
Gesamtkalkulation des Beispiels
- Investitionskosten: 105.200 Euro
- Fördermittel: 31.300 Euro
- Eigenkosten nach Förderung: 73.900 Euro
- Eingesparte Energiekosten nach 30 Jahren: 137.300 Euro
- Wirtschaftlicher Vorteil: 63.400 Euro
Quelle: Daten aus einer energetischen Sanierung im Jahr 2025. Die Entlastungsbeträge durch die steuerliche Förderung sind berechnet, aber noch nicht beansprucht. Bei den Energieeinsparungen beim Heizen wurde mit 3 Prozent Energiepreissteigerung und 2 Prozent Teuerungsrate auf Wartungskosten pro Jahr linear gerechnet, wie in der vorangegangenen Tabelle auch, aber über 30 Jahre. Alle Zahlen sind auf ganze Zahlen gerundet.
Alternativ zu der aufgezeigten Förderoption käme auch eine Sanierung zu einem Effizienzhaus als serielle Sanierung in Frage. Dazu müsste mindestens ein Effizienzhaus 55 erreicht werden, was bei höherer Dämmstärke an Fassade, Dach und Kellerdecke und einem Nachweis gering ausgeprägter Wärmebrücken möglich wäre. Die KfW-Bank finanziert die Sanierung zu einem Effizienzhaus über einen Kredit mit Tilgungszuschuss (KfW-Förderprodukt 261). Wären hier im Beispiel die zusätzlichen Dämmmaßnahmen umgesetzt und ein Effizienzhaus 55 erreicht worden, hätte der Tilgungszuschuss 35 Prozent betragen und damit etwa mehr als über die Einzelmaßnahmenförderung. In anderen Fällen kann die Förderung als Effizienzhaus noch höher ausfallen: In der bestmöglichen Variante der Sanierung eines Gebäudes der EE-Klasse „H“ zu einem „Effizienzhaus 40 EE, seriell saniert“ können 45 Prozent Tilgungszuschuss zu einem zinsgünstigen KfW-Kredit gewährt werden.
Damit zeigt sich: Je höher der erreichte Effizienzstandard, desto stärker fallen die Fördermöglichkeiten aus – und desto langfristiger profitieren Eigentümerinnen und Eigentümer von geringeren Kosten und höherem Gebäudewert.
Mythos 2: Fachkräftemangel macht Sanierungen unmöglich
Die energetische Sanierung des Gebäudebestands ist ein zentraler Baustein der Wärmewende. Gleichzeitig wird oft behauptet, dass der Mangel an Fachkräften diese Transformation ausbremse oder gar unmöglich mache. Der Engpass ist real – er betrifft Schlüsselgewerke wie technische Gebäudeausrüstung, Dämmtechnik oder Energieberatung. Doch die Situation bedeutet keinen Stillstand.
Fachkräftemangel als strukturelles Hemmnis
Die Lage auf dem Handwerks- und Planungsmarkt führt vielerorts zu langen Wartezeiten, steigenden Kosten und langsamer Projektumsetzung. Planungsbüros arbeiten an der Belastungsgrenze.
Die energetische Sanierung selbst ist komplex. Sie erfordert die Koordination mehrerer Gewerke, sorgfältige Nachweisführung und Planung sowie die Abstimmung mit Eigentümerinnen und Eigentümer. Für kleinere Betriebe sind diese Schnittstellen oft eine große Hürde. Wiederholte Vorgänge, Fehlerkorrekturen und lange Abläufe sind die Folge. Während einige Gewerke unterbesetzt sind, gibt es in anderen Bereichen ein Arbeitskräfteüberangebot – Umschulungen und Quereinstiege können hier Brücken bauen.
Lösungsansätze: Was heute schon funktioniert
Gleichzeitig entstehen neue Ansätze, die den Engpass abfedern und langfristig überwinden können. Einige davon zeigen bereits konkrete Wirkung:
- Digitalisierung: Tools und Plattformen wie BIM, 3D-Laserscanning und digitale Baustellenkoordination ermöglichen eine effizientere Projektabwicklung. Wiederholbare Prozesse lassen sich standardisieren, Schnittstellen verringern.
- Neue Qualifizierungsmöglichkeiten: Quereinsteigerausbildungen undAnerkennung ausländischer Abschlüsse erschließen neue Potenziale.Weiterbildungsmöglichkeiten, stärken vorhandene Kapazitäten. Neue Berater:innen in den Markt kommen.
- Integrierte Prozesse: Ganzheitliche Energieberatung und Sanierungsmanager bündeln Planung, Förderabwicklung und Umsetzung. Das erhöht Planungssicherheit und entlastet Handwerksbetriebe.
- Serielles Sanieren: Vorgefertigte Fassaden- oder Dachelemente reduzieren den Bedarf an hochqualifizierten Kräften auf der Baustelle. Kürzere Bauzeiten verringern die Personalbindung pro Projekt. Planung und Umsetzung lassen sich beim seriellen Sanieren besser entkoppeln und verringern den Koordinationsaufwand. Durch die Verlagerung der Arbeit in Werkshallen entstehen attraktivere Arbeitsbedingungen: Planbare Arbeitszeiten, weniger körperliche Belastung und witterungsunabhängige Tätigkeiten können dazu beitragen, neue Arbeitskräfte zu gewinnen und langfristig im Beruf zu halten.
- Projektkoordination: Modelle wie der „Sanierungssprint“ bündeln Abläufe über eine koordinierende Instanz. In diesem Modell übernimmt ein sogenannter „Sanierungscoach“ die Bündelung und Steuerung der Abläufe. Erste Erfahrungen zeigen, dass Sanierungen von Einfamilienhäusern in wenigen Wochen möglich sind – ohne Qualitätsverlust.
Diese Ansätze zeigen: Der Engpass ist ernst, aber kein unüberwindbares Hindernis.
Fazit
Wirtschaftliche Sanierungen sind keine Frage hoher Energiepreise – sie rechnen sich schon heute. Gleichzeitig ist der Fachkräftemangel ein Hemmnis, aber kein Hindernis: Digitalisierung, neue Qualifizierungswege, serielle Verfahren und integrierte Prozesse zeigen, dass ambitionierte Ziele erreichbar bleiben. Wer frühzeitig investiert, profitiert von kalkulierbaren Kosten, Fördermitteln und langfristig höherem Gebäudewert.