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„Klimaresilienz in Quartieren geht nur als Gemeinschaftsaufgabe“

Stand: Juli 2025
Foto, Johannes Rupp

Johannes Rupp ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Im Interview spricht er über die zentralen Herausforderungen und Erfolgsfaktoren klimaresilienter Quartiersentwicklung – von der Zusammenarbeit zwischen Fachakteuren, über die Aktivierung der Stadtgesellschaft, bis hin zur strukturellen Verankerung des Themas über einzelne Modellprojekte hinaus.

Wie verändert der Klimawandel die Anforderungen an lebenswerte Quartiere – und worauf kommt es an, wenn Resilienz künftig mitgedacht werden soll?

Wichtige Hebel für eine nachhaltige Quartiersentwicklung sind Anstrengungen sowohl im Klimaschutz als auch in der Klimaanpassung. Für die Resilienz sollten diese Bereiche zusammengedacht werden, und die jeweiligen Akteur*innen interagieren. Zielkonflikte sind dadurch leichter zu überwinden, zudem ist es möglich von den jeweiligen Kompetenzen und Erfahrungen zu profitieren.

Im Klimaschutz sind wir als Gesellschaft schon sehr gut, was die Kenntnis technischer und verhaltensbezogener Lösungen und die Verständigung auf Ziele und Maßnahmen auf kommunaler Ebene betrifft. In der Umsetzung gibt es aktuell jedoch noch viel Luft nach oben. Photovoltaik-Potenziale auf und an Gebäuden, Parkplätzen etc. müssen stärker genutzt werden, den Gebäudebestand gilt es energetisch und sozialverträglich zu sanieren, der ÖPNV und die Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr sind auszubauen.  

In der Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind wir noch nicht so gut aufgestellt: Zwar sind wir uns der gehäuft auftretenden Hitze- und Starkregenereignisse bewusst und nehmen diese durchaus als Bedrohung für das Leben in unseren Quartieren wahr. Was fehlt ist ein breites Verständnis der Dringlichkeit zur Vorsorge. Ohne entschiedenes Handeln – sowohl bezogen auf den Gebäudebereich als auch den Freiraum – werden unter Berücksichtigung der Klimaprojektionen umfassendere Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen z.B. durch Sturzfluten oder Hochwasser auftreten, Bäume und Grünanlagen vermehrt unter Trockenstress leiden, sowie im Fall von Hitze Kreislaufbeschwerden und eine reduzierte Arbeitsproduktivität bei der Bevölkerung zunehmen.  

Positiv ist, dass eine zunehmende Anzahl an Kommunen über sowohl Klimaschutz- und Anpassungsmanager*innen als auch ämterübergreifende Steuerungsrunden verfügen. Gleiches gilt für verschiedene Weiterbildungsangebote zum / zur „Climate Change Manager*in", oder dass Gebäudeenergieberater*innen zu Klimaanpassungsaspekten geschult werden.

In Ihren Arbeiten spielt die Beteiligung von Stadtgesellschaft und Akteur*innen eine wichtige Rolle. Warum ist das gerade im Kontext klimaresilienter Quartiere so zentral – und was lässt sich daraus für die Praxis mitnehmen?

Die Umsetzung klimaresilienter Quartiere ist eine Gemeinschaftsaufgabe und kein Selbstläufer. Damit verbunden sind eine Reihe von Veränderungen, in der Art wie wir künftig leben und Gebäude und Freiräume nutzen werden. Bedeutsam ist daher das Einbringen und Kennenlernen der Perspektiven unterschiedlicher Akteur*innen. Gleiches gilt für den Fokus auf gemeinsame und erstrebenswerte Zukünfte zu richten und zu überlegen, wie diese erreicht werden können.  

Im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft" haben wir, um ein klareres Bild von klimaresilienten Quartieren zu bekommen, verschiedene Zukunftsbilder – am Beispiel der Stadt München – entwickelt. Involviert waren u.a. Vertreter*innen aus dem Wohnungsbau, der Stadt- / Landschaftsplanung, Bezirkspolitik, Gebäudeeigentümer*innen, Gewerbetreibende, bürgerschaftliche Initiativen. Anhand verschiedener Optionen der Quartiersentwicklung wurde herausgearbeitet, wo es Zuspruch, Widerstände und Fehlstellen bei der Gestaltung von Gebäuden und des Freiraums, sowie Formen der sozialen Interaktion und Multicodierung von Flächen gibt. Durch den Dialog war es möglich, Wissensbestände zusammenzutragen, sowie Zielkonflikte und Synergien relevant für die Umsetzung zu identifizieren. Auch konnten die Teilnehmenden sich vernetzen und wurden teilweise befähigt, selbst aktiv zu werden. Erfreulich u.a. war, dass in einem Quartier durch Anwohner*innen eines Hinterhofs im Anschluss an die Diskussion die Umsetzung einer Grünmaßnahme erfolgte.  

Grundsätzlich sollte bei der Beteiligung von Akteur*innen stets darauf geachtet werden, was ist Ziel und Zielgruppe. Auch sollte eine Befassung mit dem Umfeld, d.h. was liegt an Wissen und Erfahrungen vor, ebenso mit Multiplikator*innen und Anknüpfungspunkte im Quartier, erfolgen. Darüber lassen sich Enttäuschungen vermeiden oder Unmut vorbeugen. Vertiefte Einblicke zur Aktivierung von Bürger*innen und Unternehmen, versehen mit Praxisbeispielen, bieten auf der Webseite www.gruene-stadt-der-zukunft.de zwei Leitfäden als Umsetzungshilfen.  

Wie lassen sich klimaresiliente Maßnahmen langfristig in der Quartiersentwicklung verankern – auch über einzelne Modellprojekte hinaus?

Grundlage für die Verankerung der Klimaresilienz in der Quartiersentwicklung sollte die Verständigung auf ein mehrheitlich getragenes Zielbild sein. Darüber kann bei der Umsetzung ein kontinuierlicher Abgleich erfolgen. Auf der nationalen Ebene ermöglicht die Klimaanpassungsstrategie 2024 mit ihren messbaren Zielen so einen Abgleich. Darin wird beispielsweise die Aktivierung von Stadtgrün angestrebt, um Hitzebelastungen zu reduzieren, oder eine stärkere Annäherung an einen naturnahen Wasserhaushalt für eine wassersensible Stadtentwicklung. Als IÖW konnten wir, zusammen mit Partnern, über die Konzeption, Durchführung und Auswertung der Beteiligung von Stakeholdern und Bürger*innen, zur Entstehung der Ziele und damit verbundener Maßnahmen, als Teil des Dialog KlimaAnpassung, spannende Einblicke erlangen.  

Für die Verankerung der Klimaresilienz auf kommunaler Ebene ist zudem der politische Wille von Entscheidungsträger*innen bedeutsam. Gibt es beispielsweise einen Stadtratsbeschluss, so bedeutet dies entsprechenden Rückenwind. Gleiches gilt für Steuerungsgruppen auf Entscheider*innen-Ebene, mit Vertreter*innen aus verschiedenen Bereichen. Auch sollte das Potenzial von Dritten, sprich von Bürger*innen und Unternehmen, genutzt und durch die Bereitstellung von Ressourcen und die Vernetzung untereinander unterstützt werden. Orientierung bieten einzelne Vorzeigeprojekte als gute Praxis-Beispiele. Inspirierend finde ich hier besonders Aktivitäten im genossenschaftlichen Wohnungsbau, wie wir sie in München kennenlernen durften. Diese beweisen eindrücklich, was möglich ist: Dächer und Fassaden sind begrünt und produzieren Energie, Vorzonen/Hinterhöfe sind nicht versiegelt, es gibt Car- und Bike-Sharing-Angebote, geteilte Wohn- und Arbeitsräume, Obst und Gemüse wird lokal angebaut. Auf diesem Know-how sollte aufgebaut werden.  

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