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„Grün ist kein Luxus, sondern kluge Klimaanpassung“

Stand: Juli 2025
Foto, Dr. Gunter Mann

Städte heizen sich auf, Starkregen überfordert die Kanalisation zunehmend, und Grünflächen werden in immer dichter bebauten Quartieren zunehmend knapper. Für Dr. Gunter Mann, Präsident und Geschäftsführer des Bundesverbands GebäudeGrün e. V. (BuGG), liegt die Lösung auf der Hand: begrünte Dächer und Fassaden. Ein Gespräch über unterschätzte Zukunftspotenziale, konkrete Möglichkeiten im Bestand und warum gerade die Kombination aus Gründach und Solaranlage besonders wirkungsvoll ist.

Herr Dr. Mann, warum sollte jedes Gebäude künftig eine begrünte Fassade oder ein grünes Dach haben?

Weil es angesichts der Klimakrise kaum eine effektivere und gleichzeitig so naheliegende Maßnahme gibt. Grünflächen sind eine der wirksamsten Strategien, um städtische Überhitzung abzumildern und mit Starkregen besser umzugehen. Gleichzeitig bieten sie Lebensraum für Tiere, verbessern die Luftqualität, dämpfen Lärm – und machen Städte schlicht lebenswerter. Das Problem ist nur: In unseren Städten ist kaum mehr Platz für neue Parks oder Grünanlagen. Die Gebäudehülle ist da ein riesiges, bislang viel zu wenig genutztes Potenzial.

Inwiefern hilft Gebäudegrün bei Extremwettern?

Gründächer sind gleich mehrfach nützlich. Bei Starkregen speichern selbst schon einfache Begrünungen etwa die Hälfte des Niederschlags. Das Wasser wird im Substrat zurückgehalten, von den Pflanzen aufgenommen und verdunstet langsam – was mit weiteren Kühleffekten einhergeht. Der Rest fließt stark verzögert ab und entlastet so die Kanalisation. Und nicht zu unterschätzen: Eine Begrünung schützt das Dach auch bei Hagel oder Starkwind. Dadurch verdoppelt sich die Lebensdauer. Grüne Fassaden hingegen sind für den Hitzeschutz prädestiniert: Dabei werden bewusst Pflanzen verwendet, die im Sommer Blätter tragen und wie Rollladen wirken. Wenn ich im Winter wieder mehr Licht in der Wohnung haben will, lassen sie ihr Laub fallen.

Welche Optionen habe ich bei einem Gründach?

Es gibt zwei Varianten: Die sogenannte extensive Begrünung kann man sich wie einen Schutzbelag auf dem Dach vorstellen. Die Pflanzen sind trockenresistent und brauchen keine zusätzliche Bewässerung. Auch die Kosten sind mit 20 bis 40 Euro pro Quadratmeter relativ gering. Aufwändiger und teurer ist der klassische Dachgarten, die sogenannte intensive Begrünung. Hier pflanze ich Stauden, Sträucher oder sogar Bäume. Die Kosten liegen etwa bei 80 bis 150 Euro pro Quadratmeter. Wie bei einem ebenerdigen Garten ist regelmäßige Pflege notwendig – aber ich habe eben auch einen tollen Freizeitort! Und wenn man es so betrachtet: Wo in der Stadt bekomme ich ein Gartengrundstück zu diesem Quadratmeterpreis?

Und wie sieht es bei der Fassade aus?

Auch hier gibt es zwei Typen: Bei sogenannten bodengebundenen Systemen wurzeln die Pflanzen im Erdreich. Dafür eignen sich besonders Kletterpflanzen wie Wilder Wein oder Efeu als Selbstklimmer und Blauregen, Pfeifenwinde und Waldreben als Gerüstkletter. Bodengebundene Fassadenbegrünungen mit Kletterhilfen kosten etwa 100 bis 300 Euro je Quadratmeter. Die Bepflanzung ist fast an jedem Gebäude möglich. Bei wandgebundenen Systemen verwendet man hingegen Pflanzgefäße oder Substrattaschen, die direkt an der Wand montiert werden. Sie sind technisch aufwändiger, aber überall installierbar. Die Kosten betragen zwischen 500 und 1.200 Euro pro Quadratmeter. Dabei sind ganz unterschiedliche Pflanzenarten möglich, von Kletterpflanzen bis hin zu Geranien.

Wie realistisch ist das Nachrüsten im Bestand?

Beim Dach hängt alles von der Tragfähigkeit ab. Eine einfache Extensivbegrünung wiegt mit 80 bis 100 Kilogramm pro Quadratmeter ähnlich viel wie Kies – und kann diesen beispielsweise einfach ersetzen. Einen Dachgarten nachträglich anzulegen, ist dagegen kaum machbar, da das die wenigsten Dächer statisch aushalten. Fassaden lassen sich dafür oftmals leichter nachrüsten. Grundsätzlich muss geprüft werden, ob ausreichend Platz vorhanden ist. Die Fassadenbegrünungen ragen etwa 30 bis 50 Zentimeter aus der Wand hervor, je nach Begrünungsart und Pflanzen – bei schmaleren Gehwegen kann das Abstimmungen mit dem Bauamt nach sich ziehen.

Viele Menschen schrecken vor der langfristigen Pflege zurück?

Das stimmt. Tatsächlich unterscheiden sich die Kosten je nach Variante aber stark. Für extensive Dächer liegen die Pflegekosten bei gerade mal 2 bis 8 Euro pro Quadratmeter im Jahr. Wandgebundene Fassaden können bis zu 40 Euro pro Quadratmeter im Jahr kosten. Sie werden in der Regel automatisch bewässert und online überwacht. Zusätzlich müssen die Pflanzen aber zwei bis drei Mal im Jahr kontrolliert und gestutzt werden. Dafür ist in der Regel ein Hubsteiger notwendig. Wenn Sie mich fragen: Ich halte es für wichtig, dass der Staat hier mehr unterstützt – etwa durch steuerliche Erleichterungen. Wer eine Fassade begrünt, leistet einen Beitrag zum Klimaschutz und damit zum Gemeinwohl.

Apropos: Wie sehen Sie die Entwicklung der Förderlandschaft?

Kommunal gibt es viele Förderprogramme, teils mit bis zu 40 Euro pro Quadratmeter für Gründächer. Dazu kommen Boni für die Kombination mit PV-Anlagen. Auf Bundesebene ist die Förderung hingegen noch sehr zaghaft und berücksichtigt vor allem die Errichtung, nicht die Pflege.

Wie sinnvoll ist die Kombination aus Gründach und PV?

Sehr sinnvoll! Die Pflanzen kühlen das Dach und damit auch die PV-Anlage – laut einer Studie kann der Stromertrag dadurch um bis zu vier Prozent steigen. Zudem beschwert die Begrünung die Anlagen automatisch. Ich brauche also keine zusätzliche Verschraubung und kann mögliche Bauschäden vermeiden. Die Stadt Hamburg plant deshalb sogar eine Pflicht zum Solar-Gründach bei Neubauten – ein starkes Signal.

Gibt es auch auf dem Land Potenzial?

Unbedingt. Auch dort steigen Temperaturen, auch dort gibt es Starkregen. Hinzu kommt: In ländlichen Regionen ist die Nähe zu Flüssen oft größer, die Überschwemmungsgefahr ist demnach hoch. Umso wichtiger ist es, Niederschläge aufzufangen. Außerdem schaffe ich mit der Begrünung wichtige Lebensräume für Flora und Fauna. Das ist von unschätzbarem Wert, ganz egal wo.

Haben Sie denn ein Lieblingsprojekt?

Es gibt viele tolle Beispiele: Etwa die Gefässerie in Fuchsstadt, der begrünte Bunker im Hamburger Viertel St. Pauli oder die beiden Hochhäuser Bosco Verticale in Mailand. Diese Gebäude sind nicht nur ökologisch wertvoll, sondern haben sich auch zu echten Sehenswürdigkeiten entwickelt. Das ist Stadtmarketing pur. Aber dieser Effekt taucht in keiner klassischen Kosten-Nutzen-Rechnung auf.

Und wenn ich als Bauherr oder Bauherrin Interesse habe: Wo fange ich an?

Unsere Webseite bietet einen guten Einstieg: Dort gibt es Grundlagenwissen, Fachinformationen, Praxisbeispiele und Kontaktdaten zu qualifizierten Fachfirmen. Wir beraten auch Städte bei der Fördermittelvergabe oder führen Erstberatungen durch. Unser Ziel als Verband: niedrigschwellige Zugänge zu schaffen, für das Thema begeistern – und dafür sorgen, dass unsere Städte auch in Zukunft lebenswert bleiben.
 

Über Dr. Gunter Mann

Der Diplom-Biologe Dr. Gunter Mann ist Präsident und Geschäftsführer des Bundesverbands GebäudeGrün e.V. (BuGG).

BuGG: Netzwerkpartner des Gebäudeforums klimaneutral

Der Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG) verfolgt das übergeordnete Ziel, die Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung einem möglichst breiten Publikum nahe zu bringen und auf firmenneutralen Wege positive Rahmenbedingungen zu schaffen. Der BuGG ist Fachverband und Interessensvertretung gleichermaßen für das Thema an sich und Unternehmen, Städte, Hochschulen, Organisationen und alle Interessierten rund um die Gebäudebegrünung.

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