Projekt
Das Projekt in Rheinfelden zeigt, wie sich industrielle Abwärme als nachhaltige Wärmequelle für urbane Quartierslösungen nutzen lässt. In einer Kooperation zwischen dem Chemieunternehmen Evonik und dem regionalen Energieversorger naturenergie wurde eine bislang ungenutzte Ressource erschlossen: 95 °C heißes Kühlwasser aus dem Produktionsprozess wird über eine 900 Meter lange Leitung in eine Energiezentrale geleitet.
Dort wird die Wärme in ein Nahwärmenetz eingespeist, das Haushalte, Unternehmen und ein ganzes Stadtquartier mit Heizenergie und Warmwasser versorgt.
Eine Organic Rankine Cycle-Anlage (OCR) ergänzt das System und wandelt überschüssige Wärme im Sommer in Strom um. Durch die intelligente Kopplung mehrerer Nahwärmenetze entsteht ein flexibles, resilientes und zukunftsweisendes Versorgungssystem.
Betreiber der Nahwärmenetze sind naturenergie und die Stadtwerke Rheinfelden. Die Lösung spart jährlich rund 10.000 Tonnen CO₂ ein und wurde 2021 mit dem Energy Efficiency Award der dena ausgezeichnet.
- Quartier
Bautafel:
Standort
Rheinfelden (Baden), Baden-Württemberg
Projektzeitraum
Inbetriebnahme: Juli 2021
Technologie
• Wärmenutzung aus industriellem Kühlkreislauf (95 °C)
• Einspeisung in gekoppelte Nahwärmenetze
• ORC-Anlage zur Stromgewinnung aus Restwärme
Leistung
• 5,2 MW Wärmeleistung
• Über 25 GWh/a Erdgas ersetzt
• 942 MWh/a Stromproduktion (sommerliche Spitzenlast)
Versorgungsbereich
• Ca. 10.000 Wohnungen, Gewerbebetriebe, Bürogebäude und ein komplettes Stadtquartier
Netzinfrastruktur
• Ca. 900 m Nahwärmeleitung, darunter Stahlrohr unter Bahntrasse
• CO₂-Einsparung: rund 10.000 Tonnen pro Jahr
Förderung
KfW-Energieeffizienzprogramm Abwärme (Investitionszuschuss 494)
Herausforderungen
Ziel des Projekts war es, industrielle Abwärme aus der chemischen Produktion von Evonik systematisch für die städtische Wärmeversorgung nutzbar zu machen und damit mehrere Tausend Haushalte, ein Gewerbegebiet sowie kommunale Gebäude klimafreundlich zu versorgen. Der Weg dahin war technisch und organisatorisch anspruchsvoll.
Die größte Herausforderung bestand darin, die sensible Prozesswärme aus verschiedenen Kühlstufen bei Evonik auszukoppeln, ohne die Produktion zu beeinträchtigen. Gleichzeitig mussten unterschiedliche Anforderungen an Temperatur, Druck und Volumenstrom berücksichtigt werden.
Auch die infrastrukturelle Anbindung erforderte besondere Lösungen: Die neue Leitung zur Energiezentrale der naturenergie hochrhein AG musste eine zweigleisige Bahnstrecke unterqueren. Zudem war eine technische und organisatorische Kopplung zweier bislang unabhängiger Nahwärmenetze notwendig – ein Novum in dieser Form.
Ziele & Erfolge
Das Projektziel lautete daher: eine betriebsstabile, netzübergreifende und übertragbare Lösung für die klimafreundliche Nutzung industrieller Abwärme auf Quartiersebene zu schaffen.
Die Umsetzung begann mit der technischen Anbindung des Evonik-Standorts an die Energiezentrale. Über eine rund 900 Meter lange Wärmeleitung wird seither 95 °C heißes Kühlwasser aus dem Produktionsprozess direkt zum Übergabepunkt transportiert. Die Leitung wurde unter anderem mit einem 1,2 Meter starken Stahlrohr hydraulisch unter einer Bahntrasse verlegt – ohne den Bahnbetrieb zu unterbrechen.
In der Energiezentrale wird die Wärme über einen Plattenwärmetauscher in das gekoppelte Nahwärmenetz von naturenergie und den Stadtwerken Rheinfelden eingespeist. Beide Netze versorgen gemeinsam bis zu 10.000 Haushalte, Bürogebäude und ein angrenzendes Gewerbegebiet.
Die kontinuierlich bereitgestellte Wärmeleistung beträgt 5,2 MW – das entspricht jährlich über 25 GWh ersetztem Erdgas. Eine ORC-Anlage ergänzt das System. OCR steht für Organic Rankine Cycle und ist ein Verfahren zur Stromerzeugung aus niedrig temperierter Wärme. In Rheinfelden wird damit im Sommer bis zu 250 kW Strom aus überschüssiger Wärme gewonnen. Versorgt werden damit das Verwaltungsgebäude und der Elektrofuhrpark des Energieversorgers.
Durch das Gesamtsystem wird der Wärmebedarf der Stadt Rheinfelden zu rund 20 % klimafreundlich gedeckt. Die jährliche CO₂-Einsparung liegt bei etwa 10.000 Tonnen.

Lessons learned
Das Projekt in Rheinfelden zeigt, wie sich industrielle Abwärme durch technologische Innovationen, partnerschaftliche Zusammenarbeit und intelligente Infrastrukturplanung in eine wirtschaftlich tragfähige, stadtweite Wärmeversorgung überführen lässt. Ein zentraler Erfolgsfaktor war die frühzeitige Koordination zwischen Industrieunternehmen, Energieversorgern und kommunalen Akteuren. Nur durch ein abgestimmtes Vorgehen konnte die Prozesswärme sicher ausgekoppelt, die Infrastruktur unter laufendem Betrieb realisiert und die Netzkopplung technisch und regulatorisch umgesetzt werden.
Meter Netzinfrastruktur
Die Nahwärmeleitung ist ca. 900 m lang.
Energy Efficiency Award
Das Projekt wurde 2021 mit dem Energy Efficiency Award der dena ausgezeichnet.
Tonnen CO₂-Einsparung
Durch das Projekt können jährlich rund 10.000 Tonnen CO₂ eingespart werden.
Besonders vorbildlich war auch die Integration der ORC-Technologie: Die Umwandlung überschüssiger Wärme in Strom erhöht die Jahresnutzung und entlastet gleichzeitig das zentrale Heizsystem in der Niedriglastphase. Damit bietet sich das Konzept auch für Standorte mit saisonal stark schwankendem Wärmebedarf an. Nicht zuletzt unterstreicht das Projekt die Bedeutung modularer Infrastrukturen. Durch die Verbindung zweier Nahwärmenetze wurde eine Systemarchitektur geschaffen, die skalierbar, resilient und anschlussfähig bleibt und damit auch als Blaupause für andere urbane Regionen mit Industrieanbindung dienen kann.