„Sanierung mit Augenmaß, Vernunft und Weitblick“
Stand: November 2025Von: ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung gGmbH
Die Transformation im Gebäudebereich ist unverzichtbar, bringt für Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Mietende allerdings auch Kosten mit sich.
Ein Gespräch mit Prof. Martin Pehnt, Geschäftsführer und Vorstand des Heidelberger ifeu-Instituts, über die Vereinbarkeit von Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen, kluge Sanierungsstrategien und Chancen der EPBD.
Herr Prof. Pehnt, was bedeutet zukunftsfähiges Bauen und Sanieren für Sie?
Eine große Frage! Das heißt für mich, Gebäude heute so zu planen oder zu modernisieren, dass sie auch morgen, übermorgen und in vielen Jahrzehnten noch begeistern: aufgrund ihrer architektonischen Qualität, aber auch ihrer Nachhaltigkeit. Gebäude müssen langfristig ihre – vielleicht auch wechselnden – Funktionen erfüllen, aber sie sollten zugleich Orte des Wohlbefindens und des sozialen Zusammenhalts sein. Und zwar zu erschwinglichen Kosten. Darüber hinaus müssen auch die ökologischen Aspekte stimmen: keine fossilen Energieträger, tragbare Energiekosten, geringer Ressourcenverbrauch und niedrige CO2-Emissionen. Und, wenn ich das – aus einem Architekturhaushalt kommend – hinzufügen darf: Es geht bei der Modernisierung auch darum, in jedem Gebäude das Besondere, Identitätsstiftende zu erhalten, seien es alte Ornamente, Geländer, Türen, Raumeigenschaften, Farben oder anderes.
Sanierungen erfordern mitunter hohe Investitionen. Wie lässt sich Klimaschutz mit bezahlbarem Wohnen vereinbaren?
Jedes Gebäude ist individuell. Mir ist es daher wichtig, für jedes Modernisierungsprojekt die beste Strategie zu finden. Wenn wenig Geld da ist, beginnt man mit den „Quick wins“. Im Vordergrund steht dann vielleicht die oberste Geschossdecke, der Heizungstausch oder eine PV-Anlage. Andere sanieren schrittweise. Dann können energetische Verbesserungen mit ohnehin anstehenden Modernisierungsmaßnahmen verknüpft werden, beispielsweise eine Dachdämmung im Zuge einer Dachsanierung oder ein Fenstertausch bei Witterungsschäden. Auslöser können bauliche Notwendigkeiten sein, aber auch die Lebenssituationen – zum Beispiel der Auszug der Kinder, finanzielle Rahmenbedingungen oder aber, wenn barrierefreie Lösungen notwendig werden. Fest steht: Nicht jede Wärmebrücke muss hier sofort beseitigt, nicht jeder Kellerabgang gleich gedämmt werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Gesamtsanierung. Das kann sinnvoll sein, wenn ein Eigentumsübergang oder Mieterwechsel stattfindet oder bei großem Modernisierungsstau.
Was ist wichtiger: Maßnahmen an Gebäudehülle und Heizungstechnik oder Versorgung mit erneuerbaren Energien?
Dieser Gegensatz wird in der öffentlichen Diskussion aus meiner Sicht aufgebauscht: bei einer Modernisierung mit Augenmaß, Vernunft und Weitblick findet sich für jedes Gebäude die beste Strategie. Dabei ist Mal das eine, Mal das andere wichtiger. Für den Transformationspfad des Gebäudesektors insgesamt werden wir aber sowohl erneuerbare Energien als auch Energieeinsparung benötigen.
Welche Rolle spielt Förderung dabei?
Eine große. Gerade für vulnerable Haushalte brauche ich zusätzliche Unterstützung. Oder wie soll sich eine Familie mit weniger als 2.500 Euro Nettoeinkommen beispielsweise eine Dachsanierung leisten, die leicht 30.000 bis 50.000 Euro kostet? Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) etwa ermöglicht ein schrittweises Vorgehen und sollte weiterentwickelt werden. Ich plädiere dafür, die Einzelmaßnahmenförderung zu stärken – auch für die Gebäudehülle – und dafür eine deutlichere soziale Differenzierung und einen zinslosen, risikoabgesicherten Kredit für einkommensschwache Haushalte einzuführen. Früher haben wir übrigens auch viel über eine Mehrwertsteuersenkung diskutiert. Das sollte man mit der BEG-Förderung zusammendenken. Die Gesamtsanierung wiederum würde dann mit einem Bonus für das Erreichen eines „Zukunftsstandards Altbau“ belohnt, angelehnt an das Nullemissionsgebäude im Bestand. Dieser könnte die Effizienzhäuser ersetzen. Und schließlich: Im vermieteten Wohnungsbestand gibt es nach wie vor das Mieter-Vermieter-Dilemma. Da müssten wir zusätzlich im Mietrecht einige Stellhebel ändern, damit die Förderung auch maximal wirksam wird – für Vermietende und Mietende.
Wo fängt man bei einer Sanierung am besten an?
Für private Eigentümerinnen und Eigentümer wie auch Wohnbaugesellschaften gilt: Eine gute Energieberatung, beispielsweise mit einem Sanierungsfahrplan, ist ein guter Einstieg. Er vermeidet Fehlentscheidungen und hilft dabei, die Planung von Reihenfolge und Art der Maßnahmen zu optimieren.
Muss ich sanieren, bevor ich eine Wärmepumpe einbaue?
Nicht zwingend, aber man sollte das Gebäude auf den Heizungstausch vorbereiten. Und zwar am besten frühzeitig und nicht erst, wenn die Gas- oder Ölheizung bereits ausgefallen ist. Denn dann braucht es eine schnelle Lösung. Je niedriger die Vorlauftemperatur ausfallen kann, desto besser. Die gute Nachricht: Schon einfache Maßnahmen können viel bewirken, etwa die Dämmung von Rollladenkästen oder der Austausch von Heizkörpern gegen moderne oder größere Modelle. Auch eine Dämmung der obersten Geschossdecke ist in vielen Gebäuden einfach umzusetzen – etwa mit Einblasdämmung oder Dämmplatten. Insgesamt gilt: Sehr viele Gebäude sind bereits heute „wärmepumpentauglich“. Mit zusätzlichen Maßnahmen kann man die Wärmepumpe noch effizienter machen.
Lohnt sich der Heizungstausch auch finanziell?
Ja. Mit CO2-Preis und wachsenden Anforderungen an erneuerbare Energieanteile werden fossile Heizungen immer unattraktiver. Wärmepumpen sind in den meisten Fällen günstiger – erst recht mit Förderung. Natürlich tausche ich in der Regel keine fünf Jahre alte Heizung, aber wenn die Heizung in die Jahre kommt, lohnt sich der Umstieg.
Das Gebäudeenergiegesetz wird derzeit erneut diskutiert. Was ist Ihnen dabei wichtig?
Planungssicherheit! Eigentümerinnen und Eigentümer, aber auch Handwerk und Industrie brauchen klare Rahmenbedingungen. Der Ausstieg aus fossilen Heizungen ist notwendig – nicht zuletzt, weil Deutschland sonst hohe Strafzahlungen für die Verfehlung der Klimaziele drohen. Und auch die Heizungsbranche hat sich längst auf „erneuerbare“ Lösungen eingestellt. Jetzt gilt es, diese Dynamik zu stabilisieren. Daher: Die bestehenden Regelungen sollten im Grundsatz erhalten bleiben, aber vereinfacht werden.
Welche Neuerungen kommen mit der EPBD?
Die EPBD fordert bei Nichtwohngebäuden klare Sanierungsanforderungen für die energetisch schlechtesten Gebäude sowie Solaranlagen bei Neubauten und bestimmten anderen Gebäuden. Das ist ein wichtiger Impuls, der staatlich gut flankiert sein muss – denn die Maßnahmen sind innerhalb weniger Jahre umzusetzen. Außerdem bringt die Richtlinie viele kleinere, aber entscheidende Bausteine: etwa bessere Energieausweise oder sogenannte One-Stop-Shops als zentrale Beratungsstellen. Sie sollen Eigentümerinnen und Eigentümern den Einstieg erleichtern.
Im Neubau wird das Nullemissionsgebäude verpflichtend. Was bedeutet das genau?
Ab 2030 gilt der Standard für alle Neubauten, für öffentliche Gebäude schon ab 2028. Drei Punkte sind entscheidend: Erstens dürfen am Standort keine fossilen CO2-Emissionen mehr entstehen – Gas- oder Ölheizungen sind also tabu. Bei Fernwärme liegt die Pflicht zur Dekarbonisierung bereits heute durch das Wärmeplanungsgesetz beim Betreiber. Zweitens müssen Gebäude eine sehr hohe Gesamtenergieeffizienz erreichen. Und drittens werden ab 2030 auch die Lebenszyklus-Emissionen mitbetrachtet. Das ist sinnvoll, sollte aber praxistauglich und unbürokratisch umgesetzt werden.
Ist Bauen nach klimafreundlichen Prinzipien zwangsläufig teurer?
Nicht unbedingt. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab: Materialsparende Bauweisen senken beispielsweise auch Kosten. Auch Holzständerbau ist nicht automatisch teurer als Massivbau. Und Suffizienz – also eine geringere Wohnfläche pro Kopf – senkt ebenfalls die Kosten. Aber es gibt natürlich auch klimafreundliche Baustoffe, die teurer sind als konventionelle Lösungen. Der Vorteil: Sie sparen nicht nur Treibhausgase ein, sondern bieten oft auch architektonisch sehr schöne Lösungen.
Ist es realistisch, die Wohnfläche pro Kopf wieder zu senken?
Ja, zumindest lässt sich die Wachstumskurve bremsen. Projekte wie das „Collegium Academicum“ in Heidelberg, das wir wissenschaftlich ausgewertet haben, zeigen, wie das geht. Das selbstverwaltete Wohnheim bietet mit flexiblen Grundrissen, verschiebbaren Wandelementen und gemeinschaftlich genutzten Flächen die Möglichkeit für Rückzug und Begegnung zugleich. Wichtig ist, dass wir auch über die Chancen neuer Wohnmodelle sprechen, nicht nur über Verzicht. Genossenschaften und kooperative Modelle sind oft Pioniere, aber auch der kommerzielle Wohnungsbau kann diese Wege gehen.
Wo sehen Sie die größten Innovationspotenziale in der Branche?
Sehr viel passiert derzeit in der Wärmeversorgung. Vor fünf Jahren hätte man gesagt: Bestandsgebäude oder dichte urbane Bereiche sind für Wärmepumpen ungeeignet. Heute sehen wir viele neue Lösungen, von der Etagen-Wärmepumpe oder den Wärmepumpen-Containern für Mehrfamilienhäuser bis zur Flusswärmepumpe im Megawatt-Maßstab – etwa 150 Megawatt aus dem Rhein – oder kalte Nahwärmenetze, also nachbarschaftlich geteilte Erdwärmesonden oder andere Wärmequellen. Der Markt ist unglaublich dynamisch, die Stückzahlen steigen, und die Zahl neuer Akteure wächst stetig. Das stimmt mich optimistisch.
Über Martin Pehnt
Prof. Dr. Martin Pehnt ist wissenschaftlicher Geschäftsführer und Vorstand des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg.
ifeu: Netzwerkpartner des Gebäudeforums klimaneutral
Das Institut für Energie- und Umweltforschung gGmbH (ifeu) forscht und berät weltweit zu wichtigen Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen für zahlreiche internationale und nationale Fördermittel- und Auftraggeber. Es zählt mit über 40-jähriger Erfahrung zu den bedeutenden ökologisch ausgerichteten, unabhängigen und gemeinnützigen Forschungsinstituten in Deutschland. An den Standorten Heidelberg und Berlin sind rund 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Natur-, Ingenieurs- und Gesellschaftswissenschaften beschäftigt.