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„Gebäude mit schlechter Energiebilanz verlieren an Wert“

Stand: Oktober 2025
Foto, André Meyer

Was macht ein Bauprojekt nachhaltig – aus Sicht einer Bank? André Meyer erklärt, wie er ESG-Kriterien in der Praxis anwendet, warum frühe Planung wichtig ist – und wie CO2-Preise künftig den Immobilienwert beeinflussen.

Herr Meyer, warum braucht es bei der GLS Bank ein eigenes Kompetenzcenter für nachhaltige Immobilien?

Das Kompetenzcenter wurde vor vier Jahren gegründet, um unsere langjährige Auseinandersetzung mit nachhaltigem Bauen zu bündeln und zu professionalisieren. Wir haben früh erkannt, dass es nicht reicht, Nachhaltigkeit mitzudenken – sie muss strukturell verankert sein. Deshalb arbeiten wir in zwei spezialisierten Teams: eines für private Baufinanzierung, eines für große Wohn- und Gewerbeprojekte, oft mit gemeinschaftlichem Ansatz.

Was genau bieten Sie diesen Kundinnen und Kunden an?

Neben klassischer Finanzierung bringen wir Expertise mit – etwa im Holzbau, wo wir ein Netzwerk aufgebaut haben und die branchentypischen Zahlungsmodalitäten kennen. Auch serielle Holzbauweisen begleiten wir aktiv, um Planungs- und Abwicklungsprozesse schlanker zu gestalten. Wir beraten nicht nur zur Immobilie, sondern auch zu Organisationsformen wie Genossenschaften oder Mietshäusersyndikaten.

Sie betonen die Bedeutung von Bestandsprojekten. Hat die Sanierung Vorrang vor dem Neubau?

In der Praxis ja. Am liebsten begleiten wir Sanierungen, Umnutzungen oder Nachverdichtungen. Das spart Fläche, schont Ressourcen und ist oft sozial verträglicher. Neubauten sind notwendig, vor allem in Ballungsräumen – aber wir stellen sicher, dass auch sie möglichst nachhaltig und wirtschaftlich tragfähig umgesetzt werden.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob ein Projekt förderwürdig ist?

Wir führen ein kombiniertes Gutachten durch, das sowohl den Beleihungswert als auch Nachhaltigkeitsaspekte bewertet. Dabei prüfen wir Bauweise, Energieeffizienz, gemeinschaftlich genutzte Flächen und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Spekulation mit Grundstücken oder kurzfristige Projektentwicklung ohne langfristige Nutzung schließen wir aus. Die Immobilie soll dauerhaft gehalten werden.

Würde ein reiner Betonbau von Ihnen also abgelehnt?

Nicht unbedingt. Wenn das Projekt großen sozialen Mehrwert bietet – etwa bezahlbaren Wohnraum sichert – kann das höher gewichtet werden. Wichtig ist aber, dass es eine realistische Perspektive gibt, sich auf den Weg Richtung Nachhaltigkeit zu machen. Unsere Entscheidungen basieren auf einer Matrix, die ökologische, soziale und Governance-Faktoren gewichtet und grafisch darstellt, wo ein Projekt gut aufgestellt ist – und wo nicht. Die ESG-Kriterien finden sich hier wieder – wir gehen allerdings noch einen Schritt weiter.

Welche Rolle spielt der Zeitpunkt, zu dem ein Projekt zu Ihnen kommt?

Eine wichtige. Wenn Architektinnen und Bauherrinnen frühzeitig auf uns zukommen, können wir aktiv mitgestalten – etwa beim Heizsystem oder der Materialwahl. Kommt das Projekt in einer späten Phase, können wir nur noch prüfen, ob es unsere Standards erfüllt – oder eben nicht.

Wie reagiert der Markt auf aktuelle Herausforderungen – etwa das Gebäudeenergiegesetz oder ESG-Anforderungen?

Wir sehen deutlich, dass Bestandshalter sich intensiver mit ihren Immobilien beschäftigen müssen. Das Interesse an Sanierungsfinanzierung ist spürbar gestiegen. Gleichzeitig ist die Umsetzung komplex: Die Frage, wie man Maßnahmen refinanziert und welche technischen Optionen sinnvoll sind, stellt sich immer wieder neu.

Können Sie ein Beispiel geben, wie sich Investitionen rechnen können?

Ja, nehmen wir die Wärmepumpe. Sie kostet im Einfamilienhaus etwa 30.000 Euro, eine neue Gasheizung rund 10.000 Euro. Bei einem CO2-Preis von 55 Euro pro Tonne und durchschnittlichem Verbrauch rechnet sich die Wärmepumpe nach fünf bis sechs Jahren – vor allem dank Förderquoten von durchschnittlich 55 Prozent. Mit einem perspektivisch steigenden CO2-Preis wird die Ersparnis gegenüber der Gasheizung noch größer. In Kombination mit PV sinken die Nebenkosten weiter – das verbessert die wirtschaftliche Tragbarkeit und macht das Objekt zukunftsfest.

Wie fließt das in die Bewertung von Immobilien ein?

Bei kleineren Gebäuden kann eine Wärmepumpe oder Photovoltaik-Anlage den Wert direkt erhöhen. Bei größeren Häusern oder Mietobjekten zählt am Markt eher, wie viel Geld sich mit der Immobilie verdienen lässt. Dort sorgen solche nachhaltigen Maßnahmen vor allem dafür, dass der Wert nicht sinkt. Denn Mietshäuser mit schlechter Energiebilanz verlieren an Wert – oft bis zu 10 Prozent. Der Grund ist, dass Vermieterinnen und Vermieter steigende Heiz- und Nebenkosten nicht komplett auf die Mieterinnen und Mieter umlegen können. Das macht solche Immobilien unattraktiver – und senkt den Preis.

Raten Sie manchmal auch von Effizienzmaßnahmen ab?

Ja, wenn sie in keinem Verhältnis zur CO2-Wirkung stehen. Wenn das Ziel CO2-Reduktion ist, reicht oft schon der Tausch des Heizungssystems. Dämmung oder Fenstertausch erzeugen in der Produktion, im Transport und beim Einbau selbst CO2 – das muss man gegenrechnen. Wer maximale Energieeinsparung will, muss tiefer ins Gebäude eingreifen. Aber für viele reicht ein gut geplantes Heizungssystem in Kombination mit nachhaltigem Strom.

Worauf sollten Eigentümerinnen und Eigentümer achten, wenn sie ein altes Einfamilienhaus erben und überlegen, ob sie es verkaufen oder sanieren sollen?

Das hängt vom Ziel ab. Wer kurzfristig verkaufen will, sollte genau prüfen, ob sich eine Sanierung wirtschaftlich lohnt. Eine neue Wärmepumpe oder Dämmung verursacht Kosten, die sich erst über Jahre amortisieren – das lohnt sich meist nur, wenn man das Haus selbst nutzen oder langfristig vermieten möchte. Für Käuferinnen und Käufer dagegen ist eine Sanierung oft sinnvoller: Sie können die Maßnahmen direkt mit der Finanzierung verbinden, von Förderungen profitieren und die Immobilie an ihre Bedürfnisse anpassen. Wer als Verkäufer saniert, sollte also realistisch kalkulieren, ob sich die Investition im Verkaufspreis wirklich widerspiegelt.

Wie schätzen Sie die Entwicklung des CO2-Preises ein?

Prognosen gehen langfristig von einem Anstieg der heute festgelegten 55 Euro auf 150 bis 300 Euro pro Tonne aus. Der steigende CO2-Preis ist ein wichtiges Instrument, um das Ziel der Klimaneutralität im Gebäudebereich zu erreichen und eine faire Steuerung zu schaffen. Hier benötigen insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen Unterstützung. Prinzipiell sollte aber gelten: Wer mehr verbraucht, soll auch mehr zahlen. Das wäre ein wichtiger Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit.

Wie gehen Sie mit dem Thema Kreislauffähigkeit um?

Wir testen das in eigenen Projekten – etwa in Berlin-Buckow mit serieller Holzbauweise. Bei Immobilien mit kurzer Restnutzungsdauer lassen sich Rückbaukosten anteilig anrechnen, wenn die Verwertbarkeit dokumentiert ist. Für andere Objekte ist das schwieriger – weil man die Materialwerte über Jahrzehnte abschreiben müsste. Deshalb prüfen wir derzeit pragmatische Ansätze, zum Beispiel Materialkataster auf Excel-Basis.

Wo stoßen Sie dabei auf Grenzen?

Oft in der Regulierung: Stellplatzschlüssel, Anforderungen im Beleihungswertgutachten oder fehlende Standards für Materialbewertung. In Berlin etwa könnten Mobilitätskonzepte wie Sharing oder Fahrradgaragen Stellplätze ersetzen – bundesweit scheitern derzeit noch Projekte an der Anerkennung der anderen Mobilitätsarten. Wir plädieren für mehr Flexibilität, um nachhaltige, gemeinschaftlich orientierte Projekte nicht zu behindern.

Über André Meyer

Andre Meyer leitet das Kompetenzcenter Nachhaltige Immobilien bei der GLS Bank. Er berät Bauherren, Genossenschaften und Projektentwicklerinnen bei nachhaltigen Bau‑ und Sanierungsprojekten. Dabei verbindet er ökologische, soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte.

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