„Die Energiewende beginnt auf dem eigenen Dach“
Stand: Mai 2025Von: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Studiengang Regenerative Energien

Photovoltaik ist längst keine Nischentechnologie mehr. Sie ist das Rückgrat der Energiewende – und für Millionen Menschen der Einstieg in eine neue Energiezukunft.
Energieexperte Volker Quaschning erklärt, warum Solarenergie so erfolgreich ist – und was sich daraus für den Ausbau der erneuerbaren Energien lernen lässt.
Herr Quaschning, Solarenergie boomt wie nie zuvor. Was macht sie so attraktiv?
Das Entscheidende ist: Solarstrom ist heute eine echte Mitmach-Technologie. Im Grunde kann heute jede und jeder seine eigene Anlage installieren: auf dem Hausdach, auf dem Balkon, im Garten. Per App lässt sich live verfolgen, wie viel Strom man selbst erzeugt und verbraucht. Das begeistert – und bringt einen spürbaren Nutzen: niedrigere Kosten, mehr Unabhängigkeit. Dieses direkte Erleben schafft Akzeptanz und beschleunigt den Wandel.
Gibt es denn überhaupt noch Vorbehalte gegenüber Photovoltaik?
Kaum. PV-Anlagen sind heute enorm beliebt – und das über alle Parteigrenzen hinweg. Die Möglichkeit zur Teilhabe sorgt dafür, dass viele Menschen sich mit der Technologie identifizieren. Die hitzigen Debatten wie bei Windrädern oder Wärmepumpen gibt es hier nicht. Klar, manchmal heißt es: „Die Module sind hässlich.“ Aber da geht es um Geschmack – nicht um Fakten. Heute gibt es ästhetisch anspruchsvolle Varianten wie All-Black-Module oder Solardachziegel, die sich kaum vom Dach unterscheiden.
Was sagen Sie denjenigen, die sich Sorgen um die Netzstabilität machen?
Zunächst: Es ist ein Irrglaube, dass unser Netz heute absolut sicher ist. Cyberangriffe, Sabotage oder unerwartete Ereignisse können die Versorgung binnen Minuten kippen, siehe den flächendeckenden Stromausfall in Spanien und Portugal Ende April. Eine PV-Anlage mit inselfähigem Speicher dagegen macht mich im Fall der Fälle autark – das ist eingebauter Selbstschutz. Und was die saisonalen Schwankungen von Sonne und Wind betrifft: Ja, die gibt es. Aber genau deshalb brauchen wir Speicher. Wir wissen, wie es geht – jetzt müssen wir es nur noch tun.
Was ist bei der Planung und Installation zu beachten?
Technisch ist die Installation keine Raketenwissenschaft: Module befestigen, verkabeln, die Leitungen sicher ins Haus führen und über den Wechselrichter anschließen. Das sollte natürlich von der Fachfrau oder dem Fachmann erledigt werden – dann hält die gesamte Anlage etwa 20 Jahre, die Module selbst noch viel länger. Wichtig ist auch die Produktwahl: besser auf bewährte Anbieter setzen als auf No-Name-Produkte, bei denen man im Garantiefall niemanden mehr erreicht.
Stichwort Produktion: Müssen wir uns unabhängiger von China machen?
Ich halte das inzwischen für unrealistisch und auch nicht unbedingt für notwendig. Ja, 90 Prozent der Module kommen aus China. Aber China hat kein Interesse daran, uns nicht mehr zu beliefern. Sie verdienen ja daran. Und in Deutschland müssten wir zig Milliarden investieren, um aufzuholen – ohne Garantie auf Erfolg. Eine echte Chance hatten wir vor über zehn Jahren, als wir noch Technologieführer waren. Aber die Politik hat die Branche damals ausgebremst.
Was ist bei der Wartung zu beachten?
Das ist ja das Schöne: PV-Anlagen sind praktisch wartungsfrei, wenn sie ordentlich installiert wurden. Wechselrichter und Batterien sind normale elektronische Geräte, da kann es vereinzelt auch mal Ausfälle geben. Nach einigen Jahren kann eine Reinigung sinnvoll sein, um Ablagerungen auf den Modulen zu entfernen. Gelegentlich beschädigt ein Tier eine Leitung – aber das ist selten. Ich empfehle, regelmäßig die Stromerträge zu dokumentieren – so lassen sich im Vergleich zum Vorjahr Auffälligkeiten und Ausfälle leicht erkennen.
Extreme Wetterereignisse nehmen zu. Wie sicher ist PV da?
Module müssen natürlich fachgerecht montiert werden, damit sie ein Sturm nicht herunterreißen kann, und auch den Blitzschutz sollte man beachten. Die meisten Module sind heute aber so robust, dass sie Hagel mit Korngrößen bis zu 25 Millimetern überstehen. Bei tennisballgroßen Hagelkörnern sieht das natürlich anders aus – aber dann gibt es ohnehin größere Schäden am Haus. Hier hilft eine gute Versicherung.
Gibt es Häuser, bei denen Sie keine PV-Anlage empfehlen würden?
Grundsätzlich eignet sich fast jedes Haus für eine PV-Anlage. Die entscheidende Frage ist eher, wo sie am besten installiert wird. Ist das Dach marode und steht eine Sanierung an, sollte diese Vorrang haben. Zum Glück gibt es viele Alternativen: Balkone, Carports oder – bei ausreichendem Platz – der Garten. Wichtig ist zudem die Verschattung: Steht eine große Eiche vor dem Balkon, sollte man die Module höher anbringen. Und wer kreativ werden möchte: Es gibt mittlerweile auch senkrecht installierbare Solarmodule, die sich zum Beispiel als Gartenzaun nutzen lassen.
Wie sieht es bei Mehrfamilienhäusern aus?
Hier wird es tatsächlich komplizierter – weniger technisch, mehr rechtlich. Mieterstrommodelle sind bürokratisch aufwendig und schrecken viele ab. Die EU hat mit der Energy-Sharing-Richtlinie eine Chance eröffnet, Strom im Quartier einfacher zu teilen. Aber Deutschland muss das noch mutiger umsetzen. Solange jede Stromweitergabe steuerlich oder rechtlich kompliziert und finanziell wenig attraktiv ist, bleibt viel Potenzial ungenutzt.
Was ist bei der Kombination mit E-Auto und Wärmepumpe zu beachten?
Wichtig ist, dass die Anlage groß genug ausgelegt ist – lieber etwas mehr Leistung einplanen. Der Verbrauch sollte möglichst tagsüber erfolgen. Ein Speicher hilft, den Strom vom Tag in die Nacht zu retten. Wer das gut kombiniert, kann im Sommer nahezu autark leben – und spart doppelt: Geld und CO₂.
Welche Innovationen erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Die Preise sind schon auf einem Tiefstand: Solarmodule werden teilweise schon für 30 bis 50 Euro in Großhandel verkauft. Viel günstiger wird es nicht. Spannender ist die steigende Effizienz: Meine eigene Anlage etwa ist 13 Jahre alt – heute könnte ich auf derselben Fläche rund 30 Prozent mehr Strom erzeugen. Und dieser Trend hält an.
Was braucht es, damit andere erneuerbare Technologien ähnlich gut ankommen?
Erstens: Beteiligung. Der Erfolg der Photovoltaik zeigt, wie wichtig Teilhabe ist – sie macht die Energiewende greifbar. Bürgerwindparks sind ein möglicher Weg. Zweitens: die richtige Kommunikation. Wir müssen bei der Wärmepumpe viel stärker den Komfortgewinn in den Mittelpunkt stellen. Sie ersetzt nicht nur fossile Heizungen, sondern kühlt im Sommer auch. Und das ohne große Zusatzkosten.
Eine letzte Frage: Wenn Sie in fünf Jahren zurückblicken – was wünschen Sie sich?
Dass jede geeignete Dachfläche in Deutschland mit Solaranlagen bestückt ist – und diese mehr leisten als nur Strom zu liefern. Sie sind dann sichtbares Zeichen dafür, dass die Energiewende machbar, bezahlbar und für alle zugänglich ist.
Über Prof. Volker Quaschning
Volker Quaschning ist Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Auf den sozialen Medien und in einem eigenen Podcast veröffentlicht er regelmäßige Kommentare und Einordnungen zur Energiewende.